Vampire Weekend – Modern Vampires of the City

von am 10. Mai 2013 in Album

Vampire Weekend – Modern Vampires of the City

Man hört ‚Modern Vampires of the City‚ die Kraftanstrengung gegen das Vermächtnis des prägenden 2008er Debütalbums anspielen zu wollen deutlich stärker an als dem 3 Jahre alten Vorgänger ‚Contra‚. Unter der zerrissenen Fassade eines zusammengewürfelten Patchwork-Albums steht dabei trotzdemverrückter und  unheimlich smarter Indiepop, der zwischen Vergangenheitsbewältigung und Aufbruchsstimmung niemandem wehtun wird.

Die ambitionierte und auch inhomogenen Entstehungshistorie hinter ‚Modern Vampires of the City‚ spiegelt sich in Songs wie ‚Hudson‚ nur allzu eklatant wieder: Streichernebel schweben hinter knisternden Beats, ein Marschschlagzeug und engelsgleiche Chöre verschwimmen mit konservierten Streichern. Es entsteht ein durchaus homogenes Cut and Paste-Flair, wie es die ansatzweise verworrene Produktionsgeschichte des dritten Vampire Weekend Werkes wohl zwangsläufig bedingen musste, bedingen wollte, und die nicht von ungefähr Erinnerungen an das verwandte Ausbruchswerk ‚Angles‚ der Strokes wach werden lässt: die schicken New Yorker Stylo-Vampire versuchen vor allzu eklatanten Stilmittelwiederholungen ausbrechen („Whenever we came up with something familiar sounding, it was rejected“ wird als Credo natürlich trotzdem nur lose befolgt), integrieren mit Ariel Rechtshaid erstmals einen Produzenten als Butler und experimentieren mit Soundexpeditionen und produktionstechnischen Kniffen.

Überall tummeln sich Pitch Shifting-Effekte, was dem stampfenden ‚Ya Hey‚ etwa eine Horde quirlieger Babyschlümpfe beschert (was wie vieles auf ‚Modern Vampires of the City‚ im Studio offenbar deutlich besser funktioniert als live) oder ‚Diane Young‚ zu einem absolut verquer verschraubten Amalgam aus rockigen Abfahrten, Prince-trifft-Kanye West-Autotone-Gesang mit vielen „Baby, Baby, Baby, Baby„s, Schlagzeug-Loop-Spielerein und durchgeschossenen Soli-Ansätzen mutieren lässt. Dass die elitären Upper Class- Popper knapp fünf Jahre nach der inszenierten Afrobeat-Hoffähigkeitserklärung im Indierock gewieft genug sind ihre progressiv zu verortenden Ambitionen in handlich – Spötter werden nicht immer vollends zu Unrecht behaupten: „nett“ – zu konsumierende Dosen  zu verpacken und abseits allzu aggressiv ausformulierter Hits ‚Modern Vampires of The City‚ dennoch zu einem ungemein kurzweilig und geschmeidig laufenden Sommeralbum auch für Wiesen abseits des Campus geformt zu haben.

Obvious Bicycle‚ fällt mit seinem schwelgenden Piano nicht ansatzwesie so dringlich ins Haus wie die üblichen Opener der Band, gefällt sich mit gemächlich klackernden Schlapf-Rhythmus und unaufdringlichen Harmoniegesängen. Eine ähnliche Zurückgenommenheit inszenieren Vampire Weekend in der behutsam und sparsam ausgeleuchteten Ambient-Pop-Ballade ‚Hannah Hunt‚, mit sehnsüchtig wehklagenden Pedal Steal-Gitarren weit hinter dem schüchternen Pianoanschlägen, der kurze Ausbruch Richtung glückseliger Losgelassenheit bleibt letztendlich so erfüllend wie revidierbar. ‚Don’t Lie‚ bedient sich an den allgegenwärtigen, flimmernde Orgelschwäden, ist Kammermusikrock mit dramatisch tanzenden Streichern und ‚Step‚ eine perlend zurückgenommene Schönheit, welche die Vorliebe der Band für Cembalos und schüchterne Melodien mit einem dezenten Hip Hop-Interesse bedient. Auch die kleine aber feine, von Rostam Batmanglij gesungene Piano-Asbschlussnummer ‚Young Lion‚ drückt ihre Vorzüge nicht mit der Tür ins Haus, sondern sich lieber unscheinbar aber kultiviert entfaltend aus.

Die fetzigen, überschwänglichen Trademark-Rocker des Quartetts, die sind diesmal in der Unterzahl, in der allgegenwärtigen, unverkennbaren Vampire Weekend-Atmosphäre jedoch geschickt eingeflochten: ‚Finger Back‚ feiert etwa die kürzeste Verbindung zwischen den frühen Dodos uns austickenden Animal Collective-Nummern, während ‚Worship You‚ auf Nummer Sicher geht und einfach gestrickt zum Ohrenschmeichler galoppiert. Ein ‚Everlasting Arms‚ erinnert nur noch im Refrain entfernt daran, warum früher kaum eine Review zu früheren Alben der Band ohne Police-Vergleiche auskam – stattdessen gibt es Konservenstreicher und Klangspielerein am Mischpult. Am klassischsten funktioniert dennoch ‚Unbelievers‚, dieser munter stampfende Hit, der die typische Vampire Weekend-Leichtigkeit und -Unbeschwertheit verinnerlicht hat – letztendlich ein ungemein gefällig nach vorne gehender Lovesong mit ordentlich viel Sonnenschein als Rückendwind.

Vor allem diesen schmissigeren Ausbrüchen fehlt vielleicht das letzte Quäntchen Brillanz, welche Vampire Weekend-Hits bisher über die prunkvollen Singles etwaiger Kollegen hievte. So mutiert ‚Modern Vampires of the City‚ zu einem kleinen Paradoxon: ausgerechnet in seinem Bestreben kein weiteres souveränes Album der Band sein zu wollen ist es eben doch vor allem das geworden – ein durchwegs souveränes Album. Dass das wahweise bisher schwächste oder Halbwertszeit-technisch stärkste Werk der New Yorker seine Vorzüge in jedem Fall deutlich überdurchschnittlich in Szene zu setzen weiß verdeutlicht der neuerliche Blick zu sich anbietenden Discographie-Vergleichenden: wo die Strokes ihre Bestrebungen der Vergangenheitsentsagung erst auf ‚Comedown Machine‚ in Form ausnahmslos guter Songs auszudrücken, ersparen sich Vampire Weekend den Umweg über eine mediokre Baustelle um ans Ziel zu gelangen. Dem verspielten ‚Modern Vampires of the City‚ gelingt damit der Spagat zwischen Erwartungshaltungsbedienung und Weiterentwicklung. Für die Zukunft von ‚Vampire Weekend‚ jedoch ohnedies viel wichtiger: hiernach sollte man das Quartett nicht mehr permanent mit ‚Vampire Weekend‘ zwangsvergleichen müssen.

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