Unity Festival [19.10.2013 Explosiv, Graz]
Bekanntlich soll man das Eisen ja schmieden, solange es heiß ist. Keine schlechte Idee, wenn es draußen in sozialer Hinsicht kalt und immer kälter wird und sich bei mir ab dem zweiten Bier aufwärts schon das „Alt und Älter“ bemerkbar macht. Als Gegenpol dazu versprach die zweite Auflage des „Unity Festival“ an diesem Oktoberwochenende außerordentlich Herzerwärmendes!
Ganze 9 Bands, lokale wie internationale, baten hierfür am Freitag (quasi der Tour-Kickoff des drei Tage andauernden Spektakels) im altehrwürdigen JuZ Explosiv zum Tanz bis in die Nacht hinein. Dem Spaß übergeordnet (oder wenigstens gleichgestellt) stand aber wie auch schon heuer im April ein Plädoyer für mehr Toleranz gegenüber seinen Mitmenschen sowie der karitative Zweck: Sämtlicher eingespielter Erlös aus beiden Konzerten (Graz und Vöcklabruck) kam nämlich diversen NGOs und deren aktuell laufenden Hilfsprojekten zugute.
Am Clubeingang angekommen, konnte man prompt die ersten bekannten Gesichter ausmachen. Unter Anderem jene drei der allseits beliebten Anarchopunks ANTS!, die ihr Set allerdings schon um 17 Uhr herum und demzufolge bei noch sehr geringem Andrang bestritten haben. Ein Umstand, der sich auch beim Auftritt der Kalifornier von The Atom Age nur unmerklich verändert haben dürfte. Immerhin gab es an der Kassa noch gratis Vinyl von Jaya the Cat und den Forum Walters. Wenn diese nun auf 50 Stück limitiert und für die ersten Besucher der Show vorgesehen waren….nun ja. Jedenfalls war auch von außerhalb der Venue zu erahnen, dass die Rock n Roll-Tanzmucke der Gruppe aus Berkeley so oder so einer späteren Stunde hätte gerecht werden müssen, um ihre ganze Stärke zu entfalten
Nun galt es, die Salzburger von 7 Years Bad Luck als erste Band in ihrer Gesamtheit zu bewundern. Über mangelnde Produktivität konnte man sich die letzten Monate bei diesem Trio ja nicht beschweren: Frische Split 7-Inch mit den Irish Handcuffs aus Regensburg und 2 brandneue Songs, vorgestellt beim Support für NOFX im Juni und eben auch heute. Die Location war zwar kosmisch betrachtet voll leer, aber die, die anwesend waren, quittierten das grobe Dutzend entspannter Pop-Punk-Tunes mit gebührendem Applaus.
Goodbye Fairground aus Essen standen als Nächste auf dem Plan. Anders als noch im März dieses Jahres im SuB mit nur einer Gitarre und damit entschieden weniger Druck. Gepaart mit dem noch ungelösten, leidigen Soundproblem im „Explo“ und einem äußerst holprigen Einstieg in 30 Minuten Spielzeit hätte das beinahe einen Totalausfall für die Jungs/das Mädel aus dem Ruhrgebiet bedeutet. Nach einer kurzen Pause und der Forderung von Basser Benny nach mehr Schmackes auf seinem Instrument wendete sich jedoch das Blatt, zumal sich die Halle wirklich mal halbwegs gefüllt präsentierte. Das gab dem Tontechniker Spielraum für einen anständigen Mix und Goodbye Fairground die Möglichkeit, von 0 auf 100 umzuschalten. Da wurde ungeahnte musikalische Vielseitigkeit zwischen Folk-Punk, Hardcore und Alternative zum Besten gegeben, garniert mit superben Stimmharmonien (Paradebeispiel: „Look Up Hannah!‘“). Sänger Benjamin hatte merklich Spaß auf der Bühne und gab sich angenehm verpeilt in den Ansagen. Ein früher Höhepunkt des Abends!
Danach die Landsmänner der Radio Dead Ones. Es schien wieder leerer zu werden. Nichtsdestoweniger bemühten die Berliner sich redlich, mit dem verbliebenen Publikum zu interagieren. Gerade Frontmann Beverly Crime wirkte dabei aber etwas arg unbeholfen und stellenweise zu plakativ „abgefuckt“. Allerdings hat der gemächliche Streetpunk einen hohen Singalong-Faktor und kann mit massig Wiedererkennungswert punkten, wenngleich die Referenz auf diesem Gebiet und aus diesem Areal Deutschlands wohl Frontkick sind und bleiben werden.
In weiterer Folge die Forum Walters aus Vöcklabruck, ihres Zeichens auch Initiatoren des „Unity“. Noch bis vor einiger Zeit hat schon lange keine Kapelle aus Österreich in Szenekreisen derart geteilte Meinungen hervorgerufen. Kein Anspruch, kam es von da. US-Tour plus Kontakte zu den dortigen Big Playern in den Arsch geschoben bekommen, hieß es von dort. Aber ganz ehrlich: Da passte einfach sehr, sehr viel bei diesem Auftritt! Als ob das Aufstellen des Festivals an sich nicht schon Beweis genug wäre, brannten die ÜbersympathInnen aus der oberösterreichischen Bezirkshauptstadt (There you have it, Giorgio!) ein Feuerwerk ab. Super Draht zur Menge (das dürften schon um die 200 Menschen gewesen sein, die sich da hingekniet haben und wieder aufgesprungen sind) und Spitzenmusiker (eine Wucht, diese Bassistin!), deren Melange aus Ska, Reggae und Punk am ehesten mit den Mod-Dänen von The Movement vergleichbar ist. Dazu gabs politische Ansagen en masse, die wiederum nur die Ernsthaftigkeit dieser Band unterstrichen. Großartig!
Eigentlich eine sehr undankbare Aufgabe, die The Liberation Service jetzt übernehmen mussten. Die Zeit war auch schon weit fortgeschritten und Geigerin Verena soundmäßig höchstens am Rande wahrzunehmen. Summa summarum ein solides Konzert, das mit den abschließenden Nummern ‚Drifters‚ sowie dem Gastauftritt von „James Choice“ Puddel dann doch einigermaßen wachzurütteln wusste. Vielleicht sind die meisten der Songs zumindest für heute einfach dem Fluch erlegen, schon das ein oder andere Mal zu oft gehört worden zu sein.
Zum Abschluss für diesen Bericht Continental aus Boston. Die gingen mit archetypischem Punkrock der Marke Ramones/One Man Army und gehöriger Americana-Infusion an den Start. Dropkick Murphys-Urgestein Rick Barton an Mikro und Gitarre scheint ein echt netter und redseliger Kerl zu sein. So kokettiert er humorvoll damit, mit 52 Lenzen immer noch in einem miefigen Van zu touren, während seine Ex-Kollegen ganze Stadien rund um die Welt füllen (vom Nightliner, mit dem sie unterwegs sind, ganz zu schweigen). Überhaupt sei er nicht gerade der Hellste, aber dafür glücklich, mit seinem um 30 Jahre jüngeren Sohn (der den 4-Saiter bedient) das tun zu können, was ihm Freunde bereitet: die Welt zu bereisen und live zu spielen, wenn auch schlecht bezahlt. Hat in seinen Entertainment-Qualitäten was von Flogging Mollys Dave King, der Mann! Die Leute um ihn herum blieben da ein wenig blass, aber alles nicht so tragisch. Irgendwo in der Setlist blitzte auch das nahezu obligatorische, jedoch super eigenwillig interpretierte DKM-Cover ‚The Torch‚ auf. Ein feiner Ausklang eines langen Tages! (Randnotiz: Jaya the Cat als Headliner dürften wahrscheinlich ordentlich abgeräumt haben. Wer Gegenteiliges bezeugen kann, kommentiere bitte diesen Artikel)
Und sonst? Natürlich eine geballte Armada an Merchandise-Artikeln sowie die Akustikklampferei von Le Yikes Country Club (Rob Guidotti?) an der Bar. Dieser verschaffte dem sonst recht sterilen Explosiv-Ambiente das gewisse Extra an Squat-Appeal.
Schlussresümee: Punkrock kann nach all den Jahren immer noch „gemeinsam“ heißen und trotzdem die soziale Sprengkraft nicht vermissen lassen. Für die Veranstalter bzw. die geförderten Organisationen hat es sich hoffentlich ausgezahlt. Gerne auf ein Wiedersehen! Over and out.
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