UN & Coltsblood – Split
„This split is a tribute to grief: The final act of love.“ Coltsblood aus Liverpool treiben gemeinsam mit UN aus Seattle den transatlantischen Nagel in das Kreuz aus extrem langem, extrem langsamen Doom.
Die zwei aufgefahrenen Songs hinter dem grandiosen Artwork von Samuel Nelson dauern spielzeittechnisch brüderlich aufgeteilte 42 Minuten und überstreichen die Stärken der beiden Heavyness-Meister mit individueller Prägung, setzen im weitesten Sinne die stilistisch charakteristischen Ausprägungen der jeweiligen aktuellen Studioalben nahtlos fort.
Eröffnet wird der Reigen aus atmosphärisch unheimlich dicht entfesselten Doom vom Trio um den ehemaligen Conan-Bassist John McNulty, dessen Gitarristin und Gattin Jemma das in der namensgebenden Jahreszeit entstandene Snows of the Winter Realm zusammenfasst: „The song conjures an epic journey from life on this Earth to what lies beyond. It was an outpouring of emotion, inspired by pagan spirituality, nature, the seasons and the wilderness, beauty, and mystery of the lands that surround us“.
Damit zeichnet sie ein adäquates Bild des düsteren Morast, den Coltsblood am Sludge ausgerichtet mit ihrer sehnsüchtig in den Metal heulende Gitarre von schleppend grollenden Rhythmen und einer heiser zum Death brüllender Stimme geißeln. Snows of the Winter Realm vermisst sein episches Potential immer ergiebiger, ohne es in letzter Konsequenz zu erzwingen, hält ohnedies irgendwann inne und atmet durch, entscheidet sich plötzlich für die kompakter riffende Abfahrt. Coltsblood tackern manischer und exzessiver, halten dann wieder beschwörender mit gesprochen skandierter Stimme vor der sakralen Kanzel, nur um danach umso gelöster nach vorne zu bollern, zu fauchen, beinahe punkig in den Black Metal-Tempomodus zu schalten.
Später wird Snows of the Winter Realm diese harschen Attacken noch mit sphärischen Synth-Texturen auskleiden, doch verausgabt sich die Band bis zum den Kreis schließenden, nunmehr geradezu versöhnlich sinnierenden Finale im ambienten Weden praktisch schonungslos: Schon beachtlich, welche Verschiebungen in der Dynamik das Trio hier absolut organisch zelebriert, einer der stärksten Tracks von Coltsblood bisher auf den Nachfolger zu Ascending Into Shimmering Darkness (2017) trotz minimal unausgegorener Nuancen heiß macht.
Wo die Split-Partner aus dem UK beklemmend in die aufregende Mangel nehmen, lassen die amerikanischen Kollegen von UN ihre Heavyness ein Jahr nach dem überragenden Sentiment vergleichsweise traumwandelnd schweifen, fesseln trotz prototypischer Genre-Gangart imaginativ sogar noch betörender und entwickelt eine unheimlich tief gehende Stimmung: „Every Fear Illuminated is a song inspired by loss and grief,“ erklärt Mastermind Monte McCleery. „It is an homage to loved ones now passed and a reminder to cherish our own finite, delicate existence.“
Dafür folgen UN einem cleanen, nachdenklichen Gitarrenpart, der assoziativ das Fenster in die 90er öffnet, während das Quartett absolut bedächtig gespielt eine nachdenkliche Elegie ausbreitet, die alsbald in einen ergebenden Funeral Doom fällt, so entschleunigt und melancholisch, irgendwann sogar Parker Chandler (Windhand, Cough) als Gast ans Mikro holt.
UN verschieben danach mühelos zwischen brutal malmender Härte und erhebender Anmut, erzeugen einen Wellengang ohne Beliebigkeit, der keine Extreme kennen muss, sondern im Reinen mit sich aus der Mitte heraus balanciert. Every Fear Illuminated unterstreicht, was für sorgsame Maler postrockiger Schönheit die Seattler trotz brutaler Wucht sein können. Gerade, als es so scheint, als hätte sich die Band auf eine Grandezza geeinigt, die sonst nur Pallbearer erreichen, lehnt sich das Szenario auf, sorgt für intrinsische Spannung, jedes Element darf gegen den Strich revoltieren: Erst grummelt der Bass launiger, dann haken die Drums vertrackter, bevor die Gitarren sich am Noise aufreiben und die Vocals fieser keifen. Letztendlich nur angedeutete Schattierungen zwar, bis das Szenario jedoch in eine anachronistisch-klimpernde Goth-Vaudeville-Zeitkapsel kriecht, stimmungsvoll aber ein bisschen willkürlich in Trance verfällt. Subjektiv ist Every Fear Illuminated damit (nicht ganz auf Augenhöhe mit dem material von sentiment agierend) sogar noch besser als Snows of the Winter Realm, objektiv spielt das Ranking jedoch eine untergeordnete Rolle: UN und Coltsblood ergänzen sich gegenseitig grandios.
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