Ulver – Hexahedron (Live at Henie Onstad Kunstsenter)

von am 25. August 2021 in Livealbum

Ulver – Hexahedron (Live at Henie Onstad Kunstsenter)

Hexahedron (Live at Henie Onstad Kunstsenter) ist nicht der prolongierte Techno-Ausflug von Ulver, sondern in der Tradition von Drone Activity die Live-Ursuppe, aus der im vergangenen Jahr Flowers of Evil destilliert wurde.

Veröffentlichungstechnisch ein Nachhall zur 2020er-Schönheit der Norweger, wurde das weitestgehend instrumental gehaltene, nun zu fünf Segmenten im nahtlosen Fluss aufgeteilte Werk bereits 2018 in einem „multidimensionalen Hypercube“ aufgenommen:
Dass die Besucher damals der Geburtsstunde des zwölften Ulver-Albums beiwohnen konnten, wird rückblickend vor allem in A fearful symmetry überdeutlich. Ulver spielen hier ein Stück, das praktisch wie ein Trance-Remix von Little Boy erscheint. Weitschweifender und atmosphärischer, als es die spätere Single sein sollte, noch wie ein halluzinogener Jam mit markigem Bassgroove in kein Pop-Korsett gefügt, auf die letzten seiner über 8 Minuten gar noch einmal ekstatisch auf die Tanzfläche drückend.
Auch vom retrofuturistischen Space-Mäandern, das Aeon blue durch eine unwirkliche Fantasie der 80er führt, braucht es nur wenige Stellschrauben, um den Weg von strukturoffenen Gebilden zu den konkreten Ideen für Flowers of Evil zu lenken- spätestens wenn nach knapp vier Minuten ein zurückgelehnter Rhythmus die Klangwelt hin zum Songformat mitnimmt, Ulver verträumt und zwanglos mit hypnotischen Texturen plätschern, bevor Bounty hunter ätherischer und elegischer wie betörender Synthpop im Chillout-Modus wandert.

Dass Hexahedron nichtsdestotrotz Ausdruck der experimentellen und avantgardistischen Seite von Ulver ist, die es so derzeit wohl nur im Live-Kontext zu hören gibt, daran lässt vor allem der Rahmen des 62 minütigen Auftritts keinen Zweifel.
Enter the Void eröffnet den Abend noch ohne Schlagzeug-Elemente als ambienter Soundscape-Score, als Synthcollage mit orchestraler Schattierung, ruhig, langsam und bedächtig. Da ist ein Kontrast aus einer subtilen Schönheit und unterschwelligen Bedrohlichkeit, der später eine sakral orgelnde Schwere bekommt, wie eine Symbiose aus Sunn O))) und Anna von Hausswolff mutiert. Die Elektronik beginn nebulös zu schimmern und ein Wermutstropfen bleibt: Wie sehr die Performance gerade auch auf physischer Ebene packend gewesen sein muß, das lässt die konservierte Aufnahme höchstens erahnen (was der Freude über die freilich nichtsdestotrotz eindringlich und imaginativ funktionierende Veröffentlichung auch einen melancholische Kehrseite geben kann), da helfen selbst die optional veröffentlichen Visuals wenig.
Sucht man nach Haaren in der Suppe wird man in inhaltlicher Hinsicht jedoch höchstens beim Setcloser The long way home fündig. Der endet die Show als düster-schillernde, Progressivität versprechende Lauerstellung auf die Ästhetik von Miami Vice. Es ist schon ein bisschen funky, wie die Rhythmen, Licks und Synthies oszillierend ineinander greifen, doch bleibt die finale Passage des Konzertes auch ohne Konsequenz. Der sanfte Math-Twist nach knapp neun Minuten könnte auch den Foals gefallen, selbst wenn sich dieser dann doch als geschmeidiger joggend entpuppt, als zuerst gedacht. Nur dass die Nummer so über insgesamt 18 Minuten geduldig als Nabelschau dahinläuft, keine finalen Höhepunkt-Impulse mehr forciert, sondern eben eher der Ausklang nach dem schon zuvor im Mittelteil von Hexahedron passierten Klimax ist, lässt den Abschluss zwar ein klein wenig unterwältigend wirken, aber auch stimmig. Denn es stimmt wohl schon, das Urteil von Kurator Lars Mørch Finborud: „A definite highlight in Henie Onstad Kunstsenter’s music and performance history.

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