Tyler Childers – Can I Take my Hounds to Heaven?

von am 16. Oktober 2022 in Album

Tyler Childers – Can I Take my Hounds to Heaven?

Mit dem Blick aufs große Ganze ist das Tryprichon Can I Take My Hounds to Heaven? weniger ein gelungenes Album, als ein potentiell interessant gedachtes  Konzeptwerk – das so allerdings auch hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.

Das enorm erfolgreiche Purgatory hat Tyler Childers die Unabhängigkeit gegeben, weitestgehend alleine das zu machen worauf er Lust hat – was sich so in seinem Nicht-Tour-Verhalten ebenso widerspiegelt, wie zuletzt auf dem Bluesgrass-Protest Long Violent History.
Can I Take My Hounds to Heaven? geht insofern nun sogar noch einen Schritt weiter und bietet als Konzept drei Perspektiven auf jeweils acht Songs an. Den Beginn machen dabei die Hallelujah Version – wenn man so will die ursprünglichen, am Kern der Kompositionen bleibenden Interpretationen, die Ausnahmestimme Childers mit seiner bockstarken Backingband (The Food Stamps) im fantastisch produzierten Soundgewand vom pastoralen Country weit in den Soul und Gospel reichend live im Studio eingespielt hat.
Das beginnt mit dem relaxt zurückgelehnt in die Roadhouse-Bar klimpernden Hank Williams-Cover Old Country Church ganz wunderbar und endet mit dem grandios im Jam aufgehenden Heart You’ve Been Tendin überragend. Dazwischen tendieren die Hallelujah Versions wie im Titelsong stark zum Blues, machen aus dem penetranten Purgatory (dem reinterpretierten Song) eine entspannte Nummer oder schunkeln flapsig marschierend (Way of the Triune God), bevor das nächste Highlight Angel Band sich in gefühlvoller Leidenschaft zurückgelehnt, im gut abgehangenen Rhythmus mit hingebungsvoller Hook orgelt. Die beiden im Western-Country groovenden Instrumentalstücke Two Coats und (das so friedlich-bittersüße im smoothen Morgentau betörende) Jubilee wirken dazwischen beinahe wie zielloses Interlude-Füllwerk.

Der mittlere Part, die Jubilee Versions, bauen darauf auf, wirken aber eher wie kosmetische Oberflächenpolitur, indem zumeist – wie im mit Sprachsamples ausgekleideten Titelsong, im sentimentalen Purgatory, Angel Band oder dem cinematographer werdenden Geniestreich The Heart You’ve Been Tendin‘ – zeitlose Orchesterbeigaben als Overdubs die Songs unweit der Hallelujah Versions verorten, die Arrangements dabei aber redundant aufgesetzt wirken, die Kompositionen kaum essentiell bereichern.
Selten, aber doch, gewinnen diese Aufarbeitungen allerdings. Old Country Church ist dem „Ursprung“ mit Background-Sängerinnen, sinfonischen Broadway-Elementen und exaltierten Bläsern ohne Kitsch mindestens ebenbürtig, aber insofern triumphierend, weil Tylers Gesang wie aus dem Post Grunge krähend brillanter auftrumpft. Two Coats ist nun kein Instrumental mehr, sondern bekommt lamentiert nölend und pfeifend ein Paar Zeilen neben einem geselliger begleitenden Bar-Chor samt fernöstlicher Psychedelik, wo das von Teresa Prince (Luna and the Mountain Jets) gesungene Jubilee (als textliches Jean Ritchie-Cover) ansatzlos weitermacht. Und dass Way of the Triune God hier nun ein Dixieland/ New Orleans-Jazz-Flair forciert, ist auch verdammt fein. Aber eben auch nicht mehr als eine unentschlossene, unverbindliche Option.

Weitaus radikaler ist dann der Bruch, den die Joyful Noise Versions vollziehen, indem diese sich experimentell gemeint, aber auch etwas halbgar anmutend, als diffuses Puristengift ohne großen Wiederhörwert  mit Drummachinen und Samples in Plunderphonics-Gefilden als veritable Remixe versuchen, als Beat-Gerüste wie die Skizzen potentieller Hip Hop-Rohbauten zwischen den Avalanches und Sufjan Stevens anmuten. Das gilt für Old Country Church ebenso wie das flapsige Way of the Triune God, die zappelnde Hi-Hat von Angel Band, das erträumte Schlafwagen-Halluzinogen Jubilee oder ein unaufgeregt marschierendes The Heart You’ve Been Tendin‘.
Das Titelstück ist mit Bruchstücken der nach unten gepitchten Vocals und Hundegebell bereit zu weit zu gehen, während die schnipselnde Downbeat-Trance Two Coats mit seinem Call-And-Response-Chant sogar ziemlich funktioniert. Und Purgatory würfelt das supernervig-simple Motiv durcheinander und wirkt dadurch lebendiger, weniger penetrant, um als funky Übung zu berieselnd.
Spannend (oder gar auf derart absurde Weise ärgerlich) ist dieser finale Part der drei Segmente aber trotzdem nur, wenn man es ausnahmslos im rigoros reaktionären Country-Kontext betrachtet. Richtig ist gerade deswegen aber wirklich, dass Tyler Childers wohl jedem (außer sich selbst) einen größeren Dienst mit entweder einem konventioneller angelegten Album getan hätte – oder die Kontraste zwischen den drei Platten (die hier eben aus zwei verdammt ähnlichen Werken samt einem aus dem Rahmen fallenden Part) noch rigoroser differenziert hätte. Quasi ein Teil Can I Take My Hounds to Heaven? im Folk, Metal oder Jazz? Warum nicht – jetzt wo Sturge pausiert, sind derartige Stunts kaum sonst jemandem zuzutrauen!

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen