Ty Segall – Segall Smeagol
Es hat wohl niemand ernsthaft angenommen, dass Ty Segall die Corona-Zeit in Isolation mit Nichtstun verbringen würde: Der Dauerveröffentlicher hat mit Segall Smeagol die Gunst der Stunde genützt und sich eine Handvoll Songs von Harry Nilsson zur Brust genommen.
„I wanted to cover Nilsson Schmilsson for years, so I used the opportunity of being at home to cover my favorite cuts from the record. So here it is free on Bandcamp – „Segall Smeagol“ LOVE TO EVERYONE“ schreibt Segall und serviert seine erste EP seit Fried Shallots also kurzerhand zum Gratis-Download.
Dass es dem 32 Jährigen bei der Aufnahme und Veröffentlichung der sechs versammelten Coversongs (hinter der übrigens sensationellen Titel-Hommage) weder um finanzielle Aspekte noch um eine werktreue Wiedergabe der Originale ging, sollte insofern von vornherein klar sein, tatsächlich steht einzig der unkomplizierte Spaß an der Sache im Vordergrund. Segall hat nicht nur Zeit, sondern vor allem unkomplizierten Bock am Heavy Psych, und der überträgt sich dann ähnlich bei seinem nicht unähnlichen Tribut an T.Rex ansatzlos auf den unersättlichen Hörer.
Den schwersten Stand der Interpretationen hat dabei mutmaßlich Gotta Get Up, das durch Russian Doll bzw. Matrojschka ja unlängst wieder in das Kurzzeitgedächtnis der Popkultur gespült wurde. Segall macht sich die Nummer jedoch wie selbstverständlich zu eigen, als würden die Beatles den Song hinter psychedelischen Effekten verzerrt zum Stoner-Rock ummodelieren, während die Gitarre im archaischen Garage-Sound immer mehr von der Leine gelassen wird.
Schief geht also nichts – und für Abwechslung ist trotz einer kohärenten Ästhetik und einem an sich auf grundkompetenzen konzentrierten Instrumentarium gesorgt. Coconut etabliert das stoisch groovende Schlagzeug, Segall lässt den supertrockenen Bass bratzen und rezitiert in relaxer Eile beinahe rappend, fistelt dazu mit Kopfstimme, schmückt mit gespitzt-klampfenden Saiten aus und inszeniert das Stück eher wie eine Reminiszenz an Beck, anstatt etwa an Reservoir Dogs denken zu lassen.
Der Rhythmus von Driving Alone agiert beinahe am maschinellen Beat, die Gitarren und der Bass fuzzen, der Gesang imitiert dazu einen leidenschaftlichen John Lennon, der abseits der Instrumente wegen der Nachbarn aber auf die Lautstärke aufpassen muß, aber dafür eine chorale Mehrstimmigkeit und gniedelnden Soli antäuschen kann. Early in the Morning wirkt in seinem abgehakt-repetitiven Kraut-Schlagzeug sogar bis zum Industrial-Hip Hop-Gerüst schielend. Segall nölt dazu sediert, die Raumaufteilung des Sounds platziert sich in unterschiedlichen Ecken distanziert, erzeugt eine faszinierende, hypnotische Trance, die trotz des Queens of the Stone Age-tauglichen Wüstenausrittes am Ende eine gewollte Monotonie pflegt. The Moonbeam Song fällt als eine ziemlich bezaubernde Acapella-Version, für die der Kalifornier neben der friedvoll jubilierenden Hauptstimme auch die weichen Backingvocals übernimmt, aus dem üblichen Schema, verschafft Segall Smeagol auf unwirkliche Art ein märchenhaftes Durchatmen vor dem exzessiven Finale.
Jump Into the Fire gelingt grandios, mit fetten Riff und tanzbarem Rhythmus, hallenden Vocals, digitalen Cowbells und Lasereffekten irgendwo zwischen den Disco-Szenen von Sound & Fury sowie dem Vermächtnis von The Rapture aus der Doom-Perspektive eines nach vorne peitschenden 80er Classic-Rockers – eine grandiose Melange mit viel Geschmack und retrofuturistisch in den Weltraum geschossener Gitarrenarbeit. Was in Summe – wie alles aus dem Hause Segall – ein so unangetrengt wie zwingende auftretendes Kleinod macht, unverzichtbar für Fans.
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