Ty Segall – Manipulator
Ty Segall meldet sich nach einer für seine Verhältnisse unfassbar langen Veröffentlichungspause von beinahe einem Jahr mit einem nach eigenem Ermessen als Doppelalbum zu betrachtenden Triumphzug zurück. Ernsthaft: der wird immer besser!
Die Relation von Quantität und Qualität im Schaffen des Kaliforniers Ty Segall zu loben ist bekanntlich ein alter Hut. Warum man es angesichts ‚Manipulator‚ dennoch wieder – und genau genommen: nachdrücklicher denn je! – tun muss: Segall holt ein Jahr seit dem akustisch gehaltenen ‚Sleeper‚ einerseits zum ausführlichsten und akribisch zusammengesteltesten Spaziergang seiner Karriere aus (56 Minuten Spielzeit, aufgenommen über 14 Monate: ein persönlicher Rekord!), gleichzeitig auch zu seinem bisher wahrscheinlich stärksten. 17 Mal mal trumpft der 28 Jährige diesmal auf und bietet dabei gefühltermaßen eine Best of-Compilation mit ausnahmslos neuen Songs an, die alte Tugenden auf den Punkt bringt und bisweilen perfektioniert – sowohl als Songwriter, wie auch in seiner Tätigkeit als Soundtechniker. ‚Manipulator‚ klingt, als wäre es makellos konserviert aus der Zeitkapsel gestiegen. Segall ist als Produzent längst ein formvollendeter Anachronist und seine Arbeiten ein analoger Traum, die Vintage-Atmosphäre lässt die Bässe grummeln und die Drums rollen, klingt gleichzeitig unbeschwert leichtfüßig und drückend nach vorne gehend.
Die Verneigung vor den 60ern und 70ern des letzte Jahrhunderts gelingt zudem durchwegs ausfallfrei: Segall schneidert ein trippiges Patchwork-Ohrwurm-Amalgam aus verschwitztem Rock’n’Roll und räudigem Garage, schimmernder Psychdelik, stacksendem Glam und vor allem ganz viel Pop, der sich über die grandios zupackenden, alterslosen Melodien und catchy Hooklines legt, und ‚Manipulator‚ zu einem unbeschwerten Rundumschlag durch Segalls ewige Heldenliga (Beatles, Stones, The Who, immer wieder T.Rex und Mark Bolan) macht, die schmutzigste Seite der swingenden Lo-Fi-Wah-Wah-Tagen von Anfang an mit einem bestechenden Händchen für Hits heraufbeschwört. Der Titelsong lässt die Orgel wabbern, groovt dröhnend und ohne jede Mühe und gniedelt seine Soli vor Uhuhu-Chören und durchgetretenem Fuzz-Pedal, die Effekte stieren in die Psychedelik; ‚Tall Man, Skinny Lady‚ lässt die Halbakkustische erfrischend röhren und kippt danach in den Exzess; ‚The Singer‚ funktioniert als balladesker Ohrwurm, in dem der Falsettgesang die Violinen zurückdrängt, aber eine ausfransende Gitarrenexkursion, während die Rhythmusgruppe im launigen ‚It’s Over‚ treibt so verdammt sexy treibt, wie der Refrain die Verstärker in den roten Bereich jagt oder der spanisch gezupfter Beginn von ‚The Clock‚ bald das Fieber bekommt und sich an friedfertigen Streichern auskuriert.
Dass ‚Manipulator‚ gegen Ende hin das immens hohe Niveau nicht über die volle Distanz halten kann fällt kaum ins Gewicht: Segall jongliert dynamisch und variantenreich mit seinen Versatzstücken, dazu ist selbst in den schwächeren Phasen zu jedem Zeitpunkt ersichtlich, dass er sein Schmelztiegel-Kaleidoskop fokussierter an Ziele führt, effektiver mit all den Harmonien, Arrangements und Melodien wirtschaftet – die so natürlich nicht allesamt ausnahmslos auf dem Mist des Kaliforniers gewachsen sind: Plagiatsprüfer können hier wieder aufheulen ohne Ende und Urheberforschung betreiben bis der Kopf raucht. Selbst sie werden letztendlich aber wohl auch nicht darum herumkommen anzuerkennen, dass kaum jemand die Retroschiene derart erfrischend, gefühlvoll und mitreißend revitalisiert wie Segall, die richtigen Ansätze schlichtweg gekonnt zusammenschraubt und viel eher detailverliebte Hommagen gestaltet als billige Kopien. Der Mann ist einfach verdammt gut in dem, was er tut – und unter dem potentiellen Single-Aspiranten macht er es auch diesmal nicht. „Ty Segall only gives us a goodtime with old songs, no more (but no less)“ heißt es, woran natürlich etwas dran ist. Aber wen kümmert das schon, wenn diese goodtimes einfach ein derart bestechend grandioses Konglomerat ergeben?
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