Ty Segall – Deforming Lobes
Was soll nach der Schwemme an durch die Bank gelungen Studioalben, die Ty Segall 2018 rund um Freedom’s Goblin am Fließband veröffentlicht hat, noch kommen? Na, ein erstklassiges Livealbum natürlich!
Sein Highlight-Release aus dem vergangenen Jahr spart der 31 Jährige Kalifornier für Deforming Lobes zwar aus, stattet aber ausgesuchten Nummern von Platten wie Twins oder Emotional Mugger einen neuerlichen Besuch ab, der das Credo auszugeben scheint, dass nur neue Perspektiven auf bekanntes Material einen Mehrwert im ausufernden Schaffen des Ty Segall verdienen.
Als ginge es um alles oder nichts, holt Warm Hands als Opener deswegen auch gleich zu Beginn tief Luft und spuckt über den Ansager kurzerhand dröhnend hinwegbratend eine knapp 12 minütige Version des Ty Segall-Vertreters aus, treibt die Nummer zum ersten exzessiven, jamsüchtig spannungsgeladenen Höhepunkt. Symptomatisch für den punkigen Trademark-Husarenritt in den psychedelisch verschwitzen Garage Rock des Ty Segall, bis auch die hinterste Reihe ausrastet, obwohl das Publikum weitestgehend aus dem Mix verschwunden ist.
Weniger dringlich und wild wird Deforming Lobes danach übrigens nicht mehr (auch, wenn der Leader die Zügel dann und wann auch mal lockerer lässt, gegebenenfalls auch ein loser improvisierendes Mäandern zulässt). Segall und seine Freedom Band – wieder Mikal Cronin (Bass), Charles Moothart (Drums), Emmett Kelly (Gitarre) sowie Ben Boye (Piano) – nehmen sieben weitere Songs inklusive des Groundhogs-Originals Cherry Red (das man auch als B-Seite der Spiders-Single kennen kann) revitalisierend in die Mangel, treten Ihnen motiviert in den Hintern und lassen die Verstärker impulsiv bis zum Anschlag schmoren, bis den ursprünglichen Studioversionen knackige Updates verpasst wurden. Weswegen Deforming Lobes mit tighten Rhythmus, bissig aufmüpfigen Gitarren und manisch beschwörenden Gesang auch beinahe weniger wie ein Streifzug durch bekanntes Material anmutet, sondern attitüdentechnisch sogar in die Nähe eines Neuentdeckends kommt.
Die Intensität der Vocals lässt dabei die Luft beben, die Band dahinter spielt sich mit einer fiebrigen Leidenschaft in Extase. Alleine mit welchem Druck They Told Me To poltert oder Breakfast Eggs heult, wie trocken Cherry Red seinen sexy Groove köcheln lässt und Finger seinen erlösenden Ausbruch hinauszögert.
Deforming Lobes rockt dabei durchwegs so unheimlich heftig und direkt, will kaum einen Millimeter Distanz zulassen, so dass andere Live-Dokumente gegen dieses Furiosum nur zu leicht als handzahme Konserven erscheinen können. Steve Albini hat mit dem analog mitgeschnittenen Material, dass von drei Auftritten aus dem Teragram Ballroom in Los Angeles parat stand, insofern vorzügliche Arbeit geleistet, einen zwingend mitreißenden Kraftakt auch auf Tonträger eine überwältigend organische Energie verpasst.
Diese beiden Punkte (die sich nicht dogmatisch an die ursprünglichen Versionen haltende Aufarbeitung der Freedom Band sowie die mit kaum Reibungsverlust arbeitende Stimmung) sind dann auch die beiden gravierenderen Vorzüge einer mit fast ausschnitthaft wirkenden 36 Minuten Spielzeit höchsten viel zu kurz geratenen Platte. Deforming Lobes lässt schließlich höchstens in seiner improvisierend ausufernden Klammer den einen oder anderen minimalen Augenblick des Müßiggangs zu, gleicht diesen aber ohnedies zu jeder Sekunde mit seiner authentisch rohen Kreativität und ungefilterten Spielwut aus, die absolut enthusiastisch entlässt. Vielleicht befindet sich Segall ja aktuell also tatsächlich noch ein bisschen kleines bisschen mehr am Zenit seines Schaffens als sonst.
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