Ty Myers – The Select
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Ty Myers konnte schon vor der Veröffentlichung seines Debütalbums auf eine überraschend riesige Fanbase bauen. Spätestens durch The Select führt aber endgültig kein Weg mehr daran vorbei, dass der erst 17 jährige Texaner einer der nächsten Superstars des Country wird.
Solche sprießen aktuell ja gefühlt wie Pilze aus dem Boden eines Genres, das vorerst keine Sättigung zu kennen scheint. Doch reklamiert Jungspund Myers einen strategisch günstigen Platz für sich – ungefähr dort, wo der gepflegte Schmelz eines potentiellen Boyband-Verführers mit direkter Verwandtschaft zu John Mayer auf das Erbe von Tyler Childers treffen könnte.
Man höre für die adelnde Assoziation vor allem die soulig zurückgenommen Blues-Ruhe des langsamen Ends of the Earth oder den entschleunigt reduzierten Lovesong Love Is Two Faced. Der relaxte Country von Drunk Love läuft ohne emotionalen Knockout dahin, das poppiger schippernde But Me gönnt sich Drums, die im Mix als Demo aus dem Nebenraum eine interessante klangliche Entscheidung treffen.
Thought It Was Love setzt sich dagegen gleich mit Hollywood-Orchester in den elegant ausgeleuchteten Konzertsaal, derweil die Bläser in der schwelgenden (und letztlich an die geschmeidige Backingband übergebende, live anstelle des Fade Outs die exzessive Zelebrierung verlangenden) Ballade Somewhere Over You sowie die legere Lounge-Revue Can’t Hold Me Down eher die Handschrift von Sturgill Simpson zu tragen scheinen.
Was zählt ist: Myers verhebt sich an all diesen Gesten nicht.
Wobei The Select nicht ansatzweise makellos gelungen ist. Die Texte werden eventuell hier und da für Herzchen in den Augen sorgen. Nüchtern betrachtet sind sie jedoch ziemlich banal und klischeehaft ausgefallen, leidlich unauthetisch gar, wenn es um den ermüdenden Arbeitsalltag und subjektiv viel zu viel Alkohol geht. Noch gravierender ist jedoch die absolut reizlos und unspannend so sauber polierte Produktion, die Myers endgültig nicht nach einem Teenager, sondern einem gar zu souverän abgeklärten Routinier in einem Stelldichein der Tropen klingen lässt.
Mit 65 Minuten Gesamtspielzeit ist die (physisch übrigens arg gekürzte) Platte (bzw. viele seiner Songs an sich) außerdem auch viel zu lange ausgefallen: alleine die funky auf Mainstream-Nummer sicher gehende Charts-Bagatelle Real World Now (deren Jam hinten raus inszenatorisch viel zu harmlos und zahm ausfüllt) oder die schmalzig schunkelnde Kitsch-Ballade Man on the Side (die in ihrer Konsequenz für sich genommen letztlich dennoch funktioniert) hätte es nicht notwendigerweise gebraucht. Wiewohl Myers (der zwölf der sechzehn Stück hier im Alleingang, und den Rest mit professioneller Nashville-Hilfe geschrieben hat) auf The Select keine wirklichen Ausfälle – oder Sternstunden – zu bieten hat, aber auf grundlegend hohem generischen Niveau eine gelungene Bandbreite von vielversprechendem Talent offenbart.
Das angenehm plätschernde, catchy Worry Is a Sickness macht sich vorgeblich Sorgen in seiner betörend einnehmenden Komfortzone, das gefällig abholende Let ‚Em Talk begleitet gefühlvoll und exemplarisch fachmännisch arrangiert. Never Get Tired (Of Loving You) findet auf ein Acoustic-Fundament gebaut munteren Poprock mit Handclaps und Firefly mit seinem Besen-Schlagzeug und Klavier viel Romantik, wohingegen das breitbeinige Too Far Gone mit Bar-tauglichem Roadhouse Rock überrascht (und sich dabei zu sehr zieht).
Gerade der gelungene Abschluss der Platte sorgt jedoch für eine sehr wohlwollende Meinung: das verträumte Drinkin‘ Alone schippert dem Sonnenuntergang als milder Abspann entgegen und Tie That Binds betrachtet das zurücklegende Werk zufrieden im Americana. Darauf lässt sich aufbauen – wohl am besten, indem das Leben dem jungen Mann und seiner Musik ein paar Ecken und Kanten mit auf den weiteren Weg gibt.
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