Two Minutes To Late Night – Covers Vol. 6
Der letzte Bandcamp-Friday (zumindest jener des Jahres 2020) bedeutet hoffentlich nicht auch das Ende der allmonatlich fortlaufenden Two Minutes to Late Night-EP-Reihe. Obwohl – nein, eher gerade weil! – Gwarsenio Hall mit Covers Vol. 6 seine bisher stärkste Songsammlung liefert.
Einzig das peppige Kid’s Don’t Follow aus dem unverkennbar bleibenden Fundus von The Replacements will in der Besetzung mit Ted Leo (Ted Leo and the Pharmacists), Thomas Cantwell (Gouge Away), Nate Newton (Converge), Zach Blair (Rise Against), J.D. Fetcho und Samantha Campanile von Answering Machine sowie Lily Mastrodimos (Long Neck) nicht über das „nur“ gut gelungene Tribute hinauskommen, indem die Gäste um Jordan Olds den Song unweit des Originals als punkrockige Selbstverständlichkeit spielen, locker und unangestrengt, schmissig und nebensächlich. Eh sehr gut, nur gegen die restlichen vier Nummern von Covers Vol. 6 fällt das Ergebnis eben doch ab.
Brann Dailor, Justin Suitor (Pated Wives), Mike Sullivan (Russian Circles) und Stephen Brodsky (Mutoid Man, Cave In, etc.) überholen die jüngste Aufarbeitung von Alice In Chains’ Rain When I Die durch High Priest jedenfalls schon im Rahmen, wenn der Heavy Metal die superbe Rhythmusabteilung mit zähflüssigem Elan aufpeppt, doch brilliert die Nummer gerade zur Mindfuck-Mitte, die klingt, als hätten Mastodon eine Spoonman-Cameo zum Thrash verführt.
Ever Again (Robyn) ist danach eine dieser typisch munter und gelösten Nummern, auf die Olds zu stehen scheint – die hier von Troy Sanders, Mlny Parsonz (Royal Thunder), Ben Koller und Nate Garrett (Spirit Adrift) aber auch eine herrliche Portion 80er-Haarspray aus der Thin Lizzy-Perspektive verpasst bekommt, bevor die gurgelnd polternde Sause hinten raus den Gitarren freien Lauf lässt.
Noch catchier natürlich der Überhit Walking on Broken Glass (Annie Lennox) mit Frank Iero (My Chemical Romance), Adam Turla (Murder By Death), einer die herrliche Rockröhre gebenden Brody Dalle (The Distillers), G.G. Guerra (Soul Glo) und Tucker Rule von Thursday, das erst einen Meat Loaf‘schen Hang zum Überkandidelten zeigt, quakt und presst und trilliert, aber zu keinem Zeitpunkt in die Persiflage kippt, sondern wie eine ausgelassene Party anmutet, deren gute Stimmung direkt überspringt.
Über allem steht jedoch das Herzstück der EP, Journey’s unsterbliche Hymne Of A Lifetime. Gwarsenio und Brodsky, Nick Bellamore (Dee Snyder’s Tourgang), Ian Miller (Kowloon Walled City) Marissa Nadler sowie Produzenten-Allesmacher und Impulsgeber Kurt Ballou zimmern die Nummer episch entlang der so weich wie kraftvollen Gegensätze, wenn der elegisch-ätherische Gesang (Nadler scheint gespenstisch hauchend wie immer auf den ersten Blick nicht als optimale Wahl am Mikro, erweist sich jedoch als wohl überlegter Kontrastgeberin) packende Backing-Unterstützung im Refrain bekommt oder die Performance mühelos zwischen melancholischer Sehnsucht und zwingend intensiver Aufbruchstimmung wechselt. Als Zuckerguss gibt es einen Solo-Klimax, der die Luftgitarre Covers Vol. 6 aus dem nebeligen Studio in den strahlenden Stadionhimmel hebt.
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