TV On The Radio – Seeds
3 Jahre nach ‚Nine Types of Light‚ kompensieren TV on the Radio den Tod von Multiinstrumentalist Gerard Smith mit einem Album voller vorsichtigem Optimismus und ihrem wahrscheinlich eingängigsten Werk bisher. Allerdings auch ihr paradoxestes: wo ‚Seeds‚ eigentlich gar nicht so viel falsch macht, zieht der immanente Sicherheitsgedanken der Platte diese aber geradezu irritierend in die wohlige Langeweile.
‚Seeds‚ übertreibt es im Gegensatz zum enttäuschenden und ziellosen Hit-or-Miss Vorgänger nicht, wenn es darum geht TV on the Radio als ausgefuchste und gedankenvolle Soundingeneure zu inszenieren, sondern rückt wieder das Händchen der Band für tolle Melodien, anschmiegsame Harmonien und direkte Hooklines in den Vordergrund – den Pop als Ganzes sogar mehr noch als jedes andere Album der Band.
Im Grunde gelingt der Band damit ein weiteres Mal ein facettenverschiebender Evolutionsprozess in ihrer Discographie. Und wie die flott laufende Bloc Party-Verneigung ‚Happy Idiot‚ dabei schon vorab angekündigte, hat das Quartett auch keinesfalls verlernt, wie man den Trademark-Songwriting-
Songs wie die wunderbar pumpende 80er-Erinnerungselegie ‚Careful You‚, der schimmernde Synthiesong und markwürdige Albumopener ‚Quarz‚ mit seinem schlapfenden Rhythmus und den Hintergrund durchdringenden Harmoniegesängen, der flotte Pop von ‚Could You‚ mit seinen Casino-Bläsern, ‚Test Pilot‚ als detailiert mäandernde Melancholiewolke – sie alle sind an sich absolut keine schlechten Songs. Nur fehlt jedem einzelnen das gewisse Etwas, bietet keiner davon Wagnisse-eingehende Reibungspunkte an, oder forciert die nötigen Geistesblitze, um aus der eigenen Komfortzone herauszukommen.
‚Seeds‚ wirkt wie eine schön gestaltete Hülle, die klingt, wie man es von einer TV on the Radio-Platte erwartet – im Grunde genommen sogar genau so, wie man sich das nach ‚Nine Types of Light‚ theoretisch sogar gewünscht haben könnte -, unter der Oberfläche aber allzu leicht ausrechenbar die Tiefe vermissen lässt und jedwede vorhandene Substanz an eine beliebige Gefälligkeit in der Inszenierung verschleudert.
In einem brav zurecht gelegten Klanggewand gelingt es der Band nicht, zum Kern der Songs vorzudringen. Vielleicht ist das größte Problem der Platte letztendlich auch die erschreckend handzahme Produktion mit seinen alles überlagernden Vocalspuren, die fehlenden Dynamik darunter, die Autopilot-Balance der Stimmung – überhaupt der über allem liegende Sound; aber spätestens wenn ab der Albummitte auch die besten Kompositionen verbraucht sind, das (zwar gute, aber deplatzierte) ‚Ride‚ nicht in die Gänge kommen will und das rocken wollende Lowlight ‚Winter‚ sowie der tatsächlich Gas gebende ‚Lazerray‚ am bisher homogensten Albumfluss kratzen, ist ‚Seeds‚ im Ganzen zwar ein weitestgehend angenehm zu konsumierender Ohrwurm-Pop-Spühlgang, aber letztendlich kaum gewichtige Fingerübung für TV in The Radio.
Das verbliebene Quartett wirkt damit auch ein wenig wie ein ganz wunderbar zurechtgemachter Schatten seiner Post-‚Desperate Youth, Blood Thirsty Babes‚-Phase: zu einem Gutteil auch deswegen, weil es erstmals weder sich selbst, noch seine Hörer herausfordert und sich stattdessen damit begnügt, liebgewonnenen Trademarks bissfertig zu servieren. Wie ‚Seeds‚ mit seinem melancholischen Optimismus die Wunden der letzten Jahre leckt (und mit ‚Trouble‚ sowie dem Titeltrack ganz am Ende doch noch einen versöhnlichen Abschluss schafft) ist dann aber doch zu souverän, versiert und wohlig, um tatsächlich enttäuschend zu sein. Eine ästhetische Langeweile.
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