Turpitude – Une interprétation de la dissolution glaciale en quatre mouvements
Zwei Jahre nach dem Debütalbum Brume hiémale putzen Turpitude sich mit ihrem konzeptuellen Zweitwerk Une interprétation de la dissolution glaciale en quatre mouvements für die erste Riege des Black Metal heraus.
Alleine schon der Sound der Formation aus Quebec rund um das erst 18 jährige Mastermind Caleb Simard (All composition, guitar, bass, lyrics, low vocals) – hier nun Absyn.xia (High vocals, lyrics), Conor Primett (drums), Risa (Mvt. I outro atmosphere) sowie The Popu (All mixing, mastering and Mvt. II flute) – ist superb: aufgeräumt und kraftvoll, akzentuiert und klar, differenziert und weit von der zähnefletschend rauhen Rohheit von Turpitude #1 entfernt, ohne deswegen steril oder glatt zu werden. Nur mit (höhenlimitierten, dünnen, verrauschten) Lo-Fi-Klischees hat die Produktion von Une interprétation de la dissolution glaciale en quatre mouvements eben absolut nichts zu tun.
Und das ist einfach herrlich erfrischend, wenn es eine reine Freude ist, dem grandios gespielt und aufgenommenen Schlagzeug in all seiner Beckenwirbel-Hatz zuzuhören, den knarzig grummelnden, immer wieder scharrend aufzeigenden (Fretless?)Bass so akzenzentuiert hervorgehoben seviert zu bekommen, und sich von dem Strom aus Riffs und mal tief growlenden, mal energisch fauchenden Vocals motoviert mitreißen zu lassen, derweil das Songwriting von Simard zwar immer noch verdammt catchy bleibt, dabei aber diesmal doch merklich weniger direkt ausgelegt wurde als auf Brume hiémal, sondern über 38 kurzweilige Minuten progressivere Pfade wählt.
Das dramatische Mvt. I: Vivace branded auf- und ab, zappelt energisch nach vorne schiebend und blastend, derweil die Stimmbänder sich in den Texturen albtraumhaft verflochten in den Schraubstock begeben und eilig kloppend auf das Gaspedal treten, bis hinten raus ein mysteriöser ambienter Ausklang versöhnt.
Mvt. II: Pavane rockt dagegen schon beinahe zurückgelehnt, rollt auf einem Groove, der latente Disso-Vibes im Hintergrund harmonisiert, mit wechselnder Auslage die Dynamik und Artikulation variiert, über weite Strecken instrumental bleibend zu einem Appendix, der von einer psychedelisch in die Orientalik flötierende Ahnung fantasiert, bevor Mvt. III: Courante dadurch umso dringlicher schwurbelnd auftritt, einen fast punkigen Hunger zeigt, dessen Hymnik gerade auf die letzten Meter auf ein Podest gehoben wird. Die feierliche, jubilierend schwelgende Stimmung von Mvt. IV: Andante gönnt sich dann gar ein latentes Medieval-Flair in der Melodik und findet damit einen runden Abschluss für ein Album, dem vielleicht die überragenden, ikonischen Genieblitze fehlen, das aber auf einem grundlegend immens hohem Niveau den Spagat zwischen Traditionsbewusstsein und frischen, jungen Ideen samt einer eigenen Handschrift versteht – und deswegen (in der günstigen Position als erstes Jahres-Schmankerl) zwischen den Punkten liegend knackig die wohlwollende Aufwertung spendiert bekommt.
Kommentieren