Tribulation – Down Below
War Children of the Night rückblickend also doch nur ein (weiteres) Übergangsalbum der ehemaligen Death-Epigonen Tribulation? Auf Down Below setzen die Schweden ihre Wandlung hin zum okkulten Heavy Rock mit latentem Goth-Flair jedenfalls noch einmal deutlich breitenwirksamer fort.
Was auf The Horror vor knapp 10 Jahren mit einer relativ unkaschierten, aber auch enorm gelungenen Adaption von Entombed-Trademarks begann, sich aber bereits auf dem Nachfolger The Formulas of Death einem breiteren Spektrum an Einflüssen öffnete, positioniert sich anhand von Down Below nun mit seiner Deathrock-Ausrichtung samt Gothic-Patina und 70s-Metal-Riffing mittlerweile durchaus als konsenstaugliches Äquivalent zu Ghost.
Von den Anfangstagen der Schweden ist im Sound ihres vierten Studioalbums dafür nur die Stimme (Johannes Andersson verzichtet weiterhin auf klaren Gesang und growlt mit raspelnd-gutturalem Harmonieverständnis) sowie die Stimmung (eine latent morbide Vampir-Ästhetik) geblieben, während die prägenden Einflüsse sich vom klassischen Death weg endgültig eklatant zum Hybrid verschoben haben: Hin zu Mercyful Fate und den Sisters of Mercy, zu In Solitude und The Devil’s Blood, zu Fields of Nephilim und frühen Tiamat.
Grundsätzlich fühlt sich Down Below hinter der saubereren Produktion dort vor allem wie die auf den einfachsten Nenner heruntergebrochene Fortführung von Children of the Night an: Die Riffs sind ähnlich konzipiert, doch ist das Songwriting knapp drei Jahre nach den Century Media-Einstand um ein vielfaches simpler ausgefallen, kompakter ausgelegt und auch stromlinienförmiger arrangiert. Die Schlagzeugarbeit von Neo-Drummer Oscar Leander ist praktischerweise ohnedies minimalistisch und archaisch aufgeräumt, treibt zweckdienlich die Fülle an catchy Hooks und zugänglichen Melodien an, die den Hardrock als mitternächtliche Grusel-Theatralik begreifen und damit enorm gefällig auftreten. Selbst Lacrimosa, das als mit Abstand am schnellsten hämmernder Song noch am ehesten an die alten Tribulation erinnert, gönnt sich Synthstreicher und die Ahnung eines gregorianischen Chors – führt dabei als Teil einer wenig verschreckenden Gateway-Platte zur Okkult-Abteilung aber eben auch gelungen die Gratwanderung zwischen behaltener Authentizität und einer möglichst zugänglichen Käuferschichtmaximierung vor, die den Spagat hin zu Hörern schaffen will, die mit Facepaint und Heavy/Gothic-Metal ansonsten wenig anfangen können.
Mehr als alles andere ist Down Below in seiner breitenwirksamen Ausrichtung eben verdammt souverän, in dem was es tut; zudem ein geschlossenes Ganzes, aus dem kein Song unbedingt hervorsticht, keiner einen Ausfall darstellt.
The Lament zupft sich akustisch wie ein klassisches Metallica-Intro warm, rockt bald im weitestgehend genormten Midtempo nach vorne, lebt von seiner melodieverliebten Gitarre, die mal perlt und dann wieder schiebt. Richtig stark wird es, wenn der Song sich in seine Atmosphäre zurücklehnt und die Band relativ zwanglos zu spielen beginnt, doch die Bridge will keine jammende Progression, sondern nur ein Durchatmen ermöglichen: Down Below ist eben ziemlich straight ausgerichtet, stellt vor keine überraschenden Herausforderungen.
Nightbound setzt deswegen ebenfalls auf einen bezaubernden Beginn, der sich bald weich in ein beschwörendes Riff legt, die Band spielt mit verdammt viel Gefühl und führt nahezu formvollendet in den Albumfluss. Dort übernimmt mit Lady Death die zügig klopfende Vorabsingle, die im Kontext schlüssiger zündet, doch der lahme Refrain bleibt zu plakativ und durchsichtig. Damit ist das Klientel der Platte jedoch knackig und fettfrei abgeholt, weswegen Subterranea auch den dezenten Umweg über ein verwunschenes Düster-Intermezzo gehen kann, mystische Spannungen aufbaut, bevor Tribulation standardisiert eng gesteckt riffrocken. Spätestens hier wünscht man sich jedoch auch erstmals endgültig, dass die Schweden auch einmal gefährlicher zupacken würden um dorthin zu gehen, wo es auch wehtäte. Stattdessen löst die Band die Handbremse, verschachtelt die Saiten ineinander und bedient den kurzweiligen Unterhaltungsfaktor mit einem Händchen für atmosphärische Überbauten, das Purgatorio als ein träumendes Instrumentalinterlude so versöhnlich weiterspinnt, als würde der Horror wie eine in Sicherheit wiegender Suspence in das Geschehen kriechen – Suspiria oder Goblin lassen grüßen.
Down Below forciert nicht nur hier ein Cinemascope-Flair, auch Cries From the Underworld hat etwas episches an sich, gestikuliert bedeutungsschwer mit Moll-Klavier und Gitarrensolo, ist dramatischer Stadiongoth mit Wave Färbung, wie er wohl auch Axl Rose gefallen wird. The World versteckt seine Nuancen dagegen im Detail, unterstreicht damit jedoch nur, dass die Platte vor allem oberflächlich funktionieren will.
Weswegen das abschließende Here be Dragons die Vorzüge, wie vor allem aber auch die Achillesfersen von Down Below noch einmal eklatant vorführt. Tribulation verlassen sich auf ihrem Viertwerk über weite Strecken auf die immer gleich stampfenden, eindimensionalen Uff-Ta-Rhythmen, während die Gitarrenarbeit immer wieder exzellent zaubert und die Synth-Arrangements ein imaginatives Flair zaubern. Die Kompositionen sind überdurchschnittlich solide und zeigen mit großer Geste die Ambitionen der Band, doch ohne den rohen Gesangsstil von Anderssson wäre Tribulation durch die demonstrative Einfachheit mittlerweile aber auch ein Gros der Individualität und faszinierend spannenden Ausstrahlung abhanden gekommen. Aber was ist ein bisschen Langeweile schon gegen eine dermaßen effektiv auf den Punkt gebrachte Zielstrebigkeit?
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