Trent Reznor & Atticus Ross – The Gorge

von am 21. Februar 2025 in Single

Trent Reznor & Atticus Ross – The Gorge

Nach einem überaus umtriebigen Jahr – das nach der aktuellen Staffel-Premiere von The Bear, sowie Queer und seinen Überbleibseln im Übersehen des Challengers-Scores bei den Oscars mündete – starten die niemals nicht arbeitenden Trent Reznor und Atticus Ross den 2025er-Zyklus mit dem Soundtrack für The Gorge.

Bevor das Duo sich auf eine neue Zusammenarbeit mit Luca Guadagnino (After The Hunt) einlässt, sich Tron: Ares widmet und als Nine Inch Nails auf eine „Welt“-Tournee geht, setzt der Score zum Apple+-exklusiven Film von Scott Derrickson mit u.a. Anya Taylor-Joy, Miles Teller oder Sigourney Weaver abseits seiner wenig Vorab-Wirbel verursachenden Veröffentlichung gar nicht unbedingt auf einen Überraschungseffekt: die 35 Minuten sind stilistisch im weitesten Sinne ein typisierter Reznor-und-Ross-Standard, der auf vertraute Bausteine setzt.
Die große Tugend des The Gorge-Score ist es dabei allerdings, dass die zehn Tracks im Mix relativ nahtlos ineinander übergehen und so wie eine konsistente Suite wirken – beinahe wie ein überlanges Ghost-Stück – und damit ganzheitlicher und in sich geschlossener auftreten, als viele Arbeiten der zwei Musiker.

Die sorgenvoll einsame Piano-Melodien von Millipedes and Fire Ants meint man in ihrer bekümmert schönen Melancholie schon oft als Variation von Reznor und Ross gehört zu haben, wie sie hier sinister über dem mysteriösen Synth-Ambient schimmert – auf eine universelle Art berührend ist sie dennoch auch diesmal: Streicher übernehmen das Motiv in Observation One, spielen es sich in mit atonaler Harmonie gegenseitig zu. In Observation Two bewegen sich die Tasten derart weit am Abgrund, bis der leise Stillstand seine Spannung aus der Wegnahme und Entschleunigung generiert, sich geuldig treiben lässt.
The Other Side ist eine in Schieflage lauernde Versöhnlichkeit, die pulsiert, und das bedächtige Jagged Edges deliranter Wahn, der hinten raus beinahe subkutan poltert, stattdessen aber in eine unwirkliche Anmut stürzt.

Auch ohne – wie zuletzt die meisten Soundtrack-Arbeiten des Duos – sich aus der Komfortzone zu bewegen, erzeugt The Gorge so eine dichte, fesselnde Atmosphäre, ist interessant und auf eine gewohnte Weise faszinierend. Zur Hälfte geht man dafür noch einmal in sich. Not With a Bang transformiert seine patentiert sinnierende Piano-Linie jedoch in die subtile elektronische Rhythmik und wieder zurück, wo das sanfte Glimmern von A Concrete Corridor steht und Tungsten Bulbs als luzides Wandern dem Zauber eines maschinellen Loops folgt.
The Shivering World ist dagegen eher ein Ausklingen, in dem alle Elemente des tonalen Handlungsverlaufs noch einmal Platz finden, bevor sich But With a Whimper als Epilog an die Tasten setzt: eine tröstende, versöhnliche Eleganz. Dass die Gitarren nur als kurzes abrassives Aufbäumen in der Distortion zu sägen und die Drums zu wuchten beginnen, nur um letztendlich die Introspektive zu pflegen, passt zum Charakter einer Produktion, die wie ein Kleinod im Reinen mit sich selbst steht und niemandem etwas beweisen muß: Reznor und Ross liefern diesmal auf ganz unspektakuläre, kompetente Art und Weise.

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