Trent Reznor & Atticus Ross – Queer
Trent Reznor und Atticus Ross streichen durch ihren Challengers-Soundtrack gerade verdientermaßen noch zahlreiche Award-Nominierungen ein, da arbeiten sie für Queer erneut mit Regisseur Luca Guadagnino zusammen.
Die größte Tugend von Reznor und Ross ist, sie sich das Duo mittlerweile für jeden Score-Auftrag ganz auf den Charakter des Films einlässt, beim Einverleiben von Neuland aber gleichzeitig immer noch die unverkennbare Handschrift der beiden Nine Inch Nails-Musiker erkennbar bleibt. Man höre nur die ersten Sekunden des Trailers zu Intergalactic, in denen man sofort weiß, wer hier für den Soundtrack verantwortlich zeichnet, obwohl der retrofuturistische Space-Anstrich sich aus der angestammten Komfortzone entfernt.
Aber das ist Zukunftsmusik. Im wahrsten Sinne. Für Queer geht es dagegen in die Vergangenheit: Luca Guadagninos William S. Burroughs-Romanverfilmung spielt in den 1950er Jahren von Mexiko-Stadt.
Den Einstieg besorgt dabei der Abspann: Vaster Than Empires ist eine in Zeitlupe wogende Anmut, die die brasilianische Legende Caetano Veloso einlädt, um schwülstiger Theatralik eine wohltemperierte Eleganz an den Tag zu legen – nie überkandidelt. Reznor selbst geht mit exaltierter Geste kurz eindrucksvoll bowieesk aus sich heraus – im Gegensatz zur existierenden alternativen Sparhawk-Version, die durch subtile Nuancen ganz unterschiedliche Schwerpunkte kreiert.
Danach folgen die beiden Amerikaner einem wirklich fabelhaften Thema als Leitmotiv, das von Pure Love weg durch ein Panorama aus Streicher- und Bläser-Arrangements übersetzt aus der Zeit gefallen zwanglos wandelt, warm und organisch, weich und nostalgisch.
Centipede schimmert in orchestraler Neugier und folgt hinten raus bedächtig einem astralen Wellengang. God Hate to Create ist mysteriös, dunkel und beunruhigend. In Thinking is Not Enough greifen Flöten und später Violinen das Thema auf; in The Saddest Man in the World eine friedfertige Harmonika. That‘s Him verdrängt dissonante Ahnungen von Trompeten in den Hintergrund, auch die sinistren Sorgen lösen sich malerisch fließend in einer sentimentalen Melodramatik, wo ein beklemmender-Drone Beigeschmack unheilvolles ankündigt. Da kann die Miniatur Wouldn‘t You? sich noch so einnehmend an Coldplay anlehnen: die Zeiten des hedonistischen, regelrecht verträumten Sich-Treiben-Lassens kommen an ihr Ende.
In der Klammer aus dem sinfonischen Ambient in Love Would Shatter und Real Enough fällt Place of Failure als Club-Reminiszent an Challengers deplatziert als Fremdköper aus dem Rahmen, bevor das Gespann aus No Holy Grail (als atonaler Fiebertraum einer Klanginstallation und imaginativ pochende Collage) und No Final Satori (als düsterer Synth) aus der entrückten Reibung das Leitmotiv wie eine halluzinogene Erinnerung im peripheren Sichtfeld zurückkehren sieht, es jedoch erst in No Final Solution tatsächlich wiederfindet, den Bogen damit jedoch nur vermeintlich versöhnlich schließt.
Love. ist als eine ätherische Auflösung mitsamt Spoiler nämlich eine Abfolge aus Segmenten, die Queer nicht mehr ins Reine kommen lässt und den Soundtrack für sich alleine stehend zwar ein Narrativ gibt, hinten raus aber auch zum weniger in sich geschlossenen Stückwerk macht. Im Kreieren einer Atmosphäre vergangener Tage ist der Score jedoch über weite Strecken ein weiteres Schmankerl in der Diskografie der Oscar-Preisträger.
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