Trent Reznor & Atticus Ross – Bones and All (Original Score)
„Trent Reznor & Atticus Ross’s original score for Luca Guadagnino’s Bones and All, a liberating road odyssey of two young people coming into their own, searching for identity and chasing beauty in a perilous world that cannot abide who they are.“
Nachdem das Nine Inch Nails-Duo das 2021 eher ruhig angehen ließ, stehen dieses Jahr wieder zwei Soundtrack-Arbeiten an. Mehr noch – vor dem offiziellen Release von Empire of Light gibt es mit dem Score zu Bones and All sogar ein ausgewachsenes Highlight der Reznor/Ross‘schen Diskografie, heben sich die aufgefahrenen (ohne das dazugehörige Filmmaterial schon auch den einen oder anderen leeren Meter vermessenden) 72 Minuten doch charakteristisch individualisiert aus dem Trademark-Sound der beiden ab: Bedächtig und ruhig gezupfte, klare Acoustic-Nylon-Gitarren sind der rote Faden der Arbeit, tragen die grundlegende Ästhetik wie in weiche, warme und im sanften Sonnenschein liegende Morgenstunden hinein, derweil viele der tröstenden Melodien um das melancholische, eindringliche und ziemlich wunderbar einprägsame Hauptthema (I’m With You) sich auch indirekte Erinnerungen an klassische Ambient-Melodien der Nine Inch Nails aus der Gustavo Santaolalla-Perspektive weckt.
Die prägenden Saiten werden dafür in ein angenehm variierendes Umfeld gebettet. I’m With You (A Way Out) träumt in sphärischen Feldern schimmernder Synthies, in Good and Destroyed werden sie zur nicht unbekannten Idee einer tickenden Uhr mit knisternden Noise-Ahnungen gezupft (siehe auch beispielsweise Destroyed – oder Watchmen). I’m With You (You Seem Nice) schimmert friedlich und In Dreams verschwimmt über 17 Sekunden diffus, I’m With You pflegt den romantischen Minimalismus sparsam reduziert und gibt dem Thema mit wundervoll dezenten Streichern schwelgend hin.
By the Light of the Campfire holt die Gitarre in Sichtweite des ähnlich düsteren It’s Your Turn, selbiges tut die Industrial-Klangfläche We Should Feel Something. In You’ll See What I Mean herrscht eine bedrohliche Grundierung, derweil das Geschehen kurz in hektischen Szenen eskaliert, The Great Wide Open funkelt zu tröstenden Streichern mit melancholischem Lächeln. Normal Life oder Other Paths Not Explored geben sich lebendiger, liebenswürdig nonchalant, holen ein Klavier in die folkloristischen Morgenstunden, bevor The Great Wide Open (Reprise) als versöhnlicher, märchenhafter Abschluss verabschiedet.
Dazwischen tauchen im zurückhaltenden Roadmovie auch Schläge und Gewalt auf (Violence Remains), geht gepeinigtes Stimmengewirr dekonstruiert leidend mit retrofuturistischen Soundscapes unangenehm unter die Haut (Unfinished Business) oder kulminieren viele dieser Ästhetiken in der Melange Vinegar (mit subtil schabenden Bläsern in Free Jazz-Arrangements, und Melodien, die in vertrauter Schieflage plätschern, subkutane Elektronik und chorale Schraffuren reminiszieren Ghosts).
Am ergreifendsten ist aber (You Made It Feel Like) Home, als wunderschöne, tieftraurige Klavierballade mit Reznor am Gesang: Wahrhaftig eine der schönsten Nummern des Duos überhaupt – auch dank ihr ist Bones and All eine der besten Arbeiten von Ross und Reznor bisher.
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