Travis – Everything At Once
Tatsächliche unsterbliche Radiohits und Killersingles mit dem altbekannten Klassikerpotential hat Where You Stand 2013 letztendlich keine für Travis abgeworfen, aus der Underdog-Rolle heraus aber sehr wohl einen zweiten Frühling für die knuffigen Schotten heraufbeschworen. Genau dort macht Everything At Once als unspektakulär liebevolles Britpop Album nun weiter.
Die enorm verhaltenen Kritiken, die das achte Studioalbum des Quartetts aus Glasgow weitestgehend einstecken musste, schienen dabei durchaus die Eindrücke rund um die wenig gehaltvoll erscheinenden Vorabsingles zu bestätigen, die Where You Stand als schnell verklungenes Strohfeuer in der die Heydays hinter sich gelassen habenden Karriere von Travis abstempelten: Der mit digitalen Sprengseln und elektronischen Beats durchaus interessant eingeleitete Titelsong versuchte sich etwa zaghaft an der Hinzunahme neuer Elemente im typischen Soundkosmos der Band, lässt Healy gar – naja – rappen und Bassist Dougie Payne den ansteckend fröhlichen Refrains übernehmen, blieb wie der Daniel Brühl-Gastauftritt im dazugehörigen Video aber hinter seinem theoretischen Potential zurück (übrigens ein genereles Problem des gesamtes Albums) und hinterließ nur wenig Eindruck, bevor das zuverlässige laue Lüftchen 3 Miles High als destillierte Harmlosigkeit vorstellig wurde, die man als unterschwellig hartnäckigen Ohrwurm dennoch einfach nicht mehr aus dem Gedächtnis bekam.
Während die beiden vorausgeschickten (und nun im Gesamt-Kontext durchaus stimmiger aufgehenden) Bagatellen nach und nach doch ans Herz wuchsen, relativieren die versammelten 34 Minuten in all ihrer abwechslungsreichen Kurzweiligkeit all die Unkenrufe rund um Everything At Once nun doch nahezu mühelos: Travis machen schlichtweg weiterhin, was sie können, haben also 10 zutiefst hübsche Popsongs in all ihrer tröstenden, umarmenden Nettigkeit eingespielt, die bestenfalls eher zu individuellen Fanlieblingen wachsen , als dass sie den Kanon der Bandklassiker ausfüllen werden – aber sei es drum! Erfreulich ist, dass Travis das Niveau des Vorgängers entgegen aller Schmähungen beinahe halten können, zumal man dem achten Studioalbum auch deutlich anmerkt, dass Where You Stand der Band einiges an Last von den Schultern genommen hat: Everything At Once ist durchaus luftiger, lockerer, kompakter und dennoch variabler als der Vorgänger, hat trotz mehr Sonnenschein zwar die dezent schwächeren Songs, setzt aber in Summe sogar die pointierteren, wagemutigeren Ausrufezeichen, obwohl in erster Linie natürlich weiterhin die Zuverlässigkeit steht.
Dem gutgelaunt schlendernden Hüpfer Magnificent Time hört man die Songwriting-Beteiligung von Keane-Vorstand Tim Rice-Oxley kaum an, so frohlockend springt der Song über sommerliche Wiesen. Der Radio Song gehört mit verhalten bratenden E-Gitarren, stampfenden Drums, „Uhuhuu„-Chören und folkloristischer R.E.M.-Schlagseite zum schlüssigsten, was Travis nach 2003 fabriziert haben – beinahe waschecht kantiger Rock ist das, wie er auf Ode to J. Smith nicht gelingen wollte. Das zärtlich polternde Paralysed baut gar auf episch gemeinte Chor-Arrangements und hat dazu noch Platz für einen (aus Healys Mund natürlich niemals giftig klingenden) Seitenhieb auf die Kardashians, bevor das von Dougie Payne geschriebene Animals sich bestimmt stacksend sogar noch weiter in seine Streicher-Auslage lehnt.
Nach dieser tollen erste Phase wird Everything At Once nicht unbedingt bedeutend schwächer. Aber es beginnt deutlicher ins Gewicht zu fallen, dass Travis vor allem in der zweiten Hälfte eine fehlerfreie, aber kaum nachhaltige Kurzlebigkeit in der Qualität ihren Songs forcieren, nicht über eine berieselnde Hintergrundbeschallung hinauskommen und damit schlichtweg beliebig wirkend im eigenen Wohlklang zu dümpeln beginnen. All Of The Places plätschert so belanglos schön in die Langeweile, das gelungene, schablonenhafte Duett Idlewild bleibt wie so vieles hier zu beliebig und zwanglos hinter seinen Möglichkeiten, wenn Josephine Oniyam den souligen Gegenpart zum letztendlich sprechsingenden Healy im dösenden Wellengang bildet.
Das hymnisch gemeinte, aber ernüchternd substanzarm ausgebreitete Strangers on a Train führt dann als egaler Closer noch einmal vor, warum Healy über weite Strecken doch wieder als verdienter Haupt-Songwriter agiert, schmälert dazu jedoch vor allem auch den rundum guten Gesamteindruck von Everything At Once noch einmal. Travis wären letztendlich wohl besser damit beraten gewesen, das vorhandene Material auf die Highlights zu reduzieren, und ihre Glanztaten damit in gebündelter EP-Form imposanter zur Geltung zu bringen – So bleibt nur ein gutes Album ohne gravierende Schwächen, aber verwaschenen Stärken. Verlieben kann man sich freilich dennoch anstandslos in Everything At Once – wahrscheinlicher ist jedoch eine so innige wie flüchtige Zuneigung.
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