Travis – 10 Songs
Travis wissen natürlich, dass das Überraschungsmoment nicht der springende Punkt ihrer Musik ist – diesmal fällt es deswegen auch beinahe vollends weg: knapp drei Viertel dieser 10 Songs wurden ja schließlich bereits im Vorfeld als Singles ausgekoppelt.
Was dann keineswegs daran liegt, dass das neunte Studioalbum der chronisch sympathischen Knuddelbriten solch unbedingte Smash-Hits an Bord hätte, die abseits der loyal gebliebenen Basis besonders viel Aufmerksamkeit generieren würden. Genau genommen kann man vom Erstkontakt mit der Platte sogar selbst dann ernüchtert unterwältigt sein, wenn man grundsätzlich absolut Gefallen an den direkten, gefühlten „Comeback“-Platten Where You Stand (mit sieben Jahren Abstand zwar weniger als damals) und (dem auch heute noch auf positive Weise egalen) Everything At Once fand. Die Melodien plätschern gefällig vorbei, doch wenig bleibt hängen.
Doch gibt man 10 Songs weitere Chancen – weil eben wieder diese Schnittmenge aus nostalgischer Loyalität und entwaffnender Nettigkeit doch unmittelbar greift, es sich die Band als wichtigermusiksozialisierender Begleiter über die frühen 00er-Jahre hinaus auch einfach verdient hat – zeigt sich ohne jeden Druck allerdings auch relativ bald, dass Travis hier sicherlich kein neues The Man Who, The Invisible Band oder 12 Memories geschrieben haben, die versammelten 38 Minuten der (so bedingungslos pragmatisch betitelten) Songsammlung dann aber doch ausnahmslos liebenswerte Kleinode zu bieten haben.
Im das Klavier prominenter denn je in Szene setzenden Ganzen wären das natürlich zuallererst Waving at the Window, eine Eröffnung mit treibendem Rhythmus, in dem betuchte Tastenanschläge und der sanfte Gesang eine unterschwellige erhebende Dramatik beruhigen, den angenehmen Ohrwurm damit aber nur umso unwiederstehlicher machen. Und natürlich das wundervoll balladeske A Million Hearts, in der Fran Healy voll melancholischer Romantik eine dieser betörenden Melodien auspackt, die sich in ihrer Zeitlosigkeit absolut heimelig anfühlen, bevor Kissing in the Wind ohne Opulenz in seinen Streicherarrangements badet und in anderen Händen wohl Gefahr laufen würde, eine penetrante Hymne zu werden – doch Travis spielen die Nummer so zurückhaltend und zärtlich wie möglich und nötig.
Der Rest fällt da kaum ab, auch wenn manche Nummer wie das nonchalante Butteflies schon beinahe zu zwangslos agierend Richtung beliebiger Gefälligkeit in eine beiläufige Vergessenheit abdriften.
The Only Thing ist ein countryesk angehauchtes Covideo-Duett mit Bangles-Stimme Susannah Hoffs im getragenen Tempo, mit liebevollen Streichern, weichen Backingharmomien und zurückgenommen Akzente setzendem Piano, wohingegen Valentine als beatlesk jubilierender Rocker mit drückender Rhythmusabteilung an das Debütalbum Good Feeling erinnern darf. Das tolle A Ghost ist ein noch flotterer Up-Tempo-Ohrwurm, aber weitaus gelöster in seiner beschwingten Leichtigkeit, und All Fall Down verziert seine Intimität an der Gitarre mit herrlich naiven Reinem: „My love is black and blue/ My love is next to you/ My love is true/ …/ Your love is made of gold/ Your love is rock ’n‘ roll/ Your love is cold“.
10 Songs hat jedoch stets eine tröstende Wärme, gerade wenn der verträumt-schwelgende Stehtanz unter dem Sternenmeer Nina’s Song orchestral jubiliert und No Love Lost als unscheinbare Klaviernummer und Seelenbalsam nicht von ungefähr wie eine Solonummer wirkt: Erstmals seit 17 Jahren zeichnet (der mittlerweile in L.A. lebende) Fran Healy wieder im Alleingang für das gesamte Songwriting einer Travis-Platte verantwortlich. Ein Schritt, der der Band offensichtlich gut getanhat, wie alles hier aber so gänzlich ohne Spektakel aufgeht. Weswegen man auch (im Gegensatz zu den großen drei Alben dieser Band) nicht exzessiv, aktiv und eklatant oft zu 10 Songs (und nicht nur seinen sechs Singles!) zurückkehren wird müssen, um (wenngleich mit Fanbrille ausgestattet) bereits jetzt zu wissen, dass sich jedes einzelne Mal davon dennoch ein klein wenig anfühlen wird, wie nach Hause zu kommen.
Kommentieren