Trash Talk – 119
von Oliver am 15. Oktober 2012 in Album
Wo am Vorgänger Matt Caughthran von The Bronx mitschrie, rappen nun Tyler, The Creator und Hodgy Beats bei Trash Talk als Gäste. Eine Analogie, die keinen lückenlosen Rückschluss auf ‚119‚ zulässt, aber aufzeigt, dass hier nicht mehr alles ganz koscher abläuft.
Trash Talk haben kein Hip-Hop-Album aufgenommen, sondern ein Trash-Talk-Album: rasenden Powerviolence in Kombination mit beißendem Hardcore-Punk und rabenschwarz mit Dreck um sich werfendem Rock. Meist irrsinnig schnell, immer aggressiv, von Haus aus gnadenlos brutal. Der Auftritt der beiden Odd-Future-Rüpel ist also viel mehr Ausdruck der geänderten Entstehungsumstände des dritten Albums der Radaubrüder aus Sacramento: weil Tyler, The Creator bereits Regie bei ‚F.E.B.N.‘ geführt hatte, unterzeichneten Trash Talk als erste Nicht-Rap Band bei dessen Label Odd Future Records.
Der größte Unterschied zu den bisherigen Trash Talk-Veröffentlichungen liegt so auch nicht im geschickt ausgelegten Boden für die homogene Integration des Labelchefs und seines Kompagnons (ein bedrohlich walzender Metalbrocken in der Tradition von ‚Hash Wednesday‚) oder der Tatsache, dass die Alben der Band immer länger werden (diesmal 23 Minuten für 14 Songs – Rekord!), sondern im Sound der Platte. Nach Steve Albine (‚Trash Talk‚ von 2008) und Joby J. Ford (‚Eyes & Nines‚ von 2010) haben Trash Talk diesmal die Produktion in Eigenregie besorgt.
Das führt auf der einen Seite zu einem luftigeren, weniger dichten und damit auch weniger schlagkräftigen Sound (warum klingt alleine die Gitarre derart zahm?) als zuletzt, ist unterm Strich also keine so gute Idee gewesen, stellt aber die gesanglichen, hier wieder fulminant auftretenden Qualitäten der Band treffender ins Rampenlicht: Lee Spielman schreit sich aufgekratzt wie eh und je aber ansatzweise variantenreicher durch die konstant schonungslosen Songs, Bassist Spencer Pollard röhrt immer öfter aus dem Hintergrund, unnachgiebig wie ein hirnwütiger König im Blutrausch. Der gesteigerte Anteil am Dualgebrüll steht Trash Talk hervorragend, feine Details wie die dissonant quietschende Gitarre ganz im Hintergrund von ‚Fuck Nostalgia‚ verschaffen ‚119‚ zusätzliche Ebenen – die punkige Langatmigkeit von ‚Awake‚ ist aber nicht vollends verschwunden.
‚119‚ kommt über weite Strecken wie der inspirationslose Aufguss einer bisher makellos agierenden Band unaufhaltsam angerast, die nur mehr um der stumpfen Wut wegen angepisst klingen will. Im hier stattfindenden, permanenten Adrenalinrausch verliert sich wahrhaftige Aggression irgendwann, dass Trash Talk das alles auf jedem Vorgänger relativ ähnlich schon besser hinbekommen haben enttäuscht zusätzlich. Wirklich ermüdend wird das jedoch mit der Konzentration auf stupide 0815-Lyrics aus dem Lehrbuch der Hardcore-Phrasen, wichtiges zu sagen hat Spielmann abseits von Kampfansagen beim „Class-War“ und sonstigen ausgelutschten Parolen nicht. Freilich nichts gegen den Unsinn, den sich Düsterstimme Tyler zusammenreimt.
Live kann man sowas im prügelnden Moshpit freilich ignorieren. Und dorthin, auf schweißnasse Bühnen mit dem blinden Wahnsinn in den Augen, gehören Trash Talk als hemmungslose Zeitbombe fraglos. Daran ändert auch das enttäuschende ‚119‚ nichts.
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