Trapped Under Ice – Heatwave
Nach sechs Jahren Plattenpause vollführen Trapped Under Ice auf Heatwave den rasanten Spagat: Alteingesessene Fans werden abgeholt und die Zeit seit dem Zweitwerk Big Kiss Goodnight – immerhin über ein halbes Jahrzehnt – gleichzeitig für neue Perspektiven assimiliert.
Für diesen über elf Songs gespannten anachronistischen Kniff benötigt das Quintett aus Baltimore gerade einmal 14 Minuten – No Relief brettert als längster Track immer noch in schnittigen 102 Sekunden über die Ziellinie.
Zeit zu verschwenden haben Trapped Under Ice in ihrem zweiten Leben also keine, der Evolutionsprozess explodiert mit direktem Zug zum Eingemachten. Was Justice Tripp, Sam Trapkin, Brad Hyra, Jared Carman und Brendan Yates seit dem Vorgänger von 2011, sowie während (eigentlich eher auch vor und nach) der zwischenzeitlich eingelegten Pause von 2013 bis 2015 getrieben haben, wird auf Heatwave jedenfalls unmittelbar klar: Trapped Under Ice veröffentlichen nun einerseits über das hauseigene Label Pop Wig Records – und haben andererseits vor allem Einflüsse aus dem seit einer halben Dekade wild wuchernden Bandfamilienstammbaum in den einst recht deutlich vom klassischen New Yorker Hardcore geprägten Sound inhaliert.
Wo Songs wie No Relief (als knüppeldicker Hardcore, der sich zum brutalen Breakdown hinunterfährt, heavy brütet und schiebt, tollwütig mit zahlreichen Wendungen malmt) oder Other Side (eine brutale Moshpit-Kurbel mit psychedelischen Anstrich und hochmelodischem Auge im Sturm) nicht nur relativ ansatzlos an die Bandphase um die Compilation Stay Cold (mit vererbten Versatzstücken von Big Kiss Goodnight) anknüpfen, sondern dessen Quintessenz superkompakt destillieren, lebt Heatwave die primär von den Schwesterbands Turnstile und Angel Du$t injizierte DNA immer wieder prägnant aus.
Dann stellt gleich Backstabbed nicht nur die gewachsene Stimme von Tripp in die Auslage, sondern attackiert den Ansatz der generell zurückgefahrenen stumpfen Tough Guy-Attitüde mit einem wieselflinken Pulling Teeth-Solo und einem aggressiven Groove sondergleichen. Eben diesen hat Drummer Yates auch im straight nach vorne gehenden, dann wieder schmerzverzerrt heulenden Do it von seiner populären Zweitband adaptiert, bevor Pressure is On das Gaspedal durchdrückt, irgendwann innehält, um dann finster und grimmig im stampfenden Midtempo in die Hüften zu gehen.
Es ist auch diese allgegenwärtige dynamisch vielseitige Unberechenbarkeit (inlusive durchatmender Sample-Visiten und smarter Finten), die Heatwave derart reizvoll macht.
Wenn XL nach einem atmosphärischen Intro punktgenau im Thrash losbrettert, sein Riff simpel zum Nackenbrecher ausbaut und dennoch erst in den letzten Sekunden richtig austickt, oder der metallischer Punk von Oblivion in allen Geschwindigkeiten eine Horde Gangvocals mitnimmt, um sich kompromisslos in den geschmeidig stampfenden Brecher Slow Death zu stürzen, der den Bass vor dem gefinkelten Schlagzeugspiel zum grummeln schickt, und die Gitarren irgendwann zwischen Nails und Slayer jaulen, nur damit Trapped Under Ice am Ende trotzdem im mystischen Ambientoutro landen, dann hauen Szenen wie der inmitten von souliger Inbrunst und kantigen Crossover/Rap aufgespannte Gesang in Throw it Away oder der randalierende Sprint des poppunkigen Titelsongs immer noch mit einem unmittelbarem Überraschungsmoment aus den Socken.
Heatwave funktioniert dabei als Summe seiner Teile jedoch vor allem deswegen so gut, da es in all seinen wild um sich schlagenden Szenen stets näher am schlüssigen Songwriting, als am stürmisch fragmentierten Ideenrausch gehalten wird und seine Expansionen immer im natürlichen Fluss und mit viel Gefühl in die klassischen Trapped Under Ice-Trademarks assimiliert.
Und dazu eventuell auch schlichtweg zur idealen Zeit im Jahr kommt, um seinen immensen Unterhaltungswert mit ordentlich Dampf unter der Haube anzubringen und etwaig fehlendes (oder zumindest nicht erschöpfendes) emotionales Gewicht weitestgehend durch seine packende Stimmung zu kompensieren. Trapped Under Ice sind jedenfalls warmgespielt, kurzweiliger wird Hardcore im Jahr 2017 kaum werden. Dass das abschließende Move von der synthetischen Drummaschine beginnend seinen Weg als ein an der Kupplung reißender Stimmungsmacher hin zu Martha and The Vandalls findet, ist da wohl gleichermaßen die logische Konsequenz dieses Comebackalbums, wie auch die Tatsache, dass Heatwave ebenso ungestillt hungrig wie süchtig entlässt.
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