Touché Amoré – Deflector
Touché Amoré wollen sich von Produzent Ross Robinson aus dem Komfortbereich ihres emotionalen Hardcore holen lassen. Die erste gemeinsame Zusammenarbeit Deflector stellt dafür die Weichen erst einmal ohne letzte Konsequenz.
Rechtzeitig vor der gemeinsamen Tour mit Deafheaven und Portrayal of Guilt werden Touché Amoré napp drei Jahre nach Stage Four also endlich wieder mit ohne Fokus auf die eigene Vergangenheit (wie zuletzt bei 10 Years / 1000 Shows – Live at the Regent Theater und Dead Horse X) aktiv – immerhin ist die letzte frische Studioaufnahme der Band mit Green ja auch schon wieder 16 Monate her.
Eben jene Nummer wird nun übrigens als B-Seite auch endlich physisch im Doppel mit der A-Seite Deflector veröffentlicht. Obgleich die Positionierung der beiden Songs auf den jeweiligen Plattenhälften durchaus überrascht, nicht nur der Chronologie wegen.
Immerhin soll Deflector im Gegensatz zum Interims-Instant-Hit Green ja einen kleinen Reboot markieren: „It’s been three years since the release of Stage Four. It’s been a growing and healing experience since its release. Time has also flown in a way we didn’t expect. We’ve spent the better part of that time touring and writing on and off. Earlier this year we buckled down and started writing with purpose. With that came this song DEFLECTOR. We’d recorded our last two albums with Brad Wood who came to feel like a sixth member of the band in the best way possible. This time around, we need to take a chance with the unfamiliar. Someone who would take us out of our comfort zone. Enter Ross Robinson. A man who knows no comfort zone. I followed his career all through my youth to being a young adult. From Korn to The Cure, having produced many life-changing albums throughout those years (Sepultura, GlassJaw, At The Drive-In, etc). [Anmerkung: bitte an dieser Stelle nicht auf unzählige andere Highlights wie die unersetzlichen Blood Brothers, Soulfly, die niemals hoch genug lobenswerten Snot, Limp Bizkit oder Vanilla Ice vergessen!] When we returned from the Midwest tour we entered the studio to record a song with Ross and see if there was chemistry. That chemistry was caught on tape and will be here for you to listen to.“
Und eine Chemie ist durchaus vorhanden – wenn auch mit einem ambivalenteren, weniger euphorisierenden Beigeschmack, als man sich das ob dieser vielversprechenden Konstellation ausgemalt hätte.
Robinson setzt die Band nämlich durchaus willkommen wieder rauer und aggressiver in Szene, als vor allem Stage Four produziert war. Die nach Chicanery angriffslustigeren Vocals von Jeremy Bolm sind im Mix dominant, die pummeligen Rhythmussektion poltert und schnittigem Gitarren füllen den räumlichen Klang jeder in ihrem eigenen Territorium. Doch der aggressive Druck springt nur bedingt über, da entsteht kaum das Maximum an Sturm-und-Drang-Furiosum der typisch manischen Leidenschaft, die Band scheint ein wenig mit angezogener Handbremse zu agieren. Für den enorm eingängigen Refrain wird das Tempo sogar noch einmal gebremst, der Kontrast zur Strophe ist von der Intensität her kaum extrem – packend ja, aber nicht so restlos mitreißend, wie es sein könnte.
Das fällt vor allem deswegen auf, weil die kompositionellen Strukturen dahinter auch relativ konventionell und vor allem schnell durchschaubar sind. Spätestens wenn Touché Amoré nach der melodiösen Bridge, in der der dumpfe Bass und das herrlich zappelnde Schlagzeugspiel den Fokus bekommen, aber die Gitarren dahinter detailliert-verspielt funkeln dürfen, noch einen weiteren finalen Chorus angehängen, hat Deflector deswegen schon auch eine zu einfach feilbietend gestrickte Zugänglichkeit. Ein überraschender Twist hätte hier Wunder gewirkt.
Bedenkt man gerade, welchen Terror Robinson andere betreute Bands ausgesetzt haben soll, um ihnen Höchstleistungen abzuringen, klingt das Ergebnis hier insofern doch zu gemütlich, als würde es die beiden Parteien aneinander im Schongang annähern. Deswegen steht am Ende eine im Ansatz grandiose, letztendlich überdurchschnittlich effektive und eigentlich sogar absolut Hit-taugliche Single (dieser Chorus geht einfach nicht mehr aus dem Ohr!), die eventuell ja erst bei den kommenden Liveterminen ihre inne wohnende Sprengkraft bedingungslos entfalten wird, bis dahin aber alleine schon wegen der gewohnt großartigen (!) Texte überzeugt – aber eben auch nicht ganz eine gewisse Skepsis ob der weiteren Zusammenarbeit von Touché Amoré mit Robinson vertreiben kann.
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