Tool – Opiate²
Maynard James Keenan, Adam Jones, Justin Chancellor und Danny Carey feiern das Älterwerden: Zu seinem 30. Geburtstag inszenieren Tool den Titelsong ihrer Opiate-EP im Outfit des 2019er-Comebackalbums Fear Inoculum neu.
Freilich kann man sich daran aufhängen, dass das lange angekündigte, an die ausgedehnte Liveversion angepasste und vom ästhetischen Klanggewand des fünften Tool-Albums assimilierte Opiate² natürlich nicht die rohe Energie sowie ungestüm Aggressivität des Originals rekonstruiert. Aber wozu auch?
Wirklich vorwerfen lässt sich dem Aufwärmen jugendlicher Glanztaten in der damit einhergehenden Altersmilde nämlich eigentlich nur, dass das Quartett aus Los Angeles keine wirkliche Abenteuerlust mehr zeigt, den Autopiloten von 2019 weiterlaufen hat und das Update von Opiate auf Nummer Sicher gehend mit nostalgischer Zufriedenheitsgarantie für die loyalste Fanbasis nach Hause spielt.
Insofern bleibt die Rezeption zugegebenermaßen ambivalent: Im Kontext von Fear Inoculum wäre Opiate² trotz der Aufarbeitung nach Formelheft aufgrund des starken Songwritungs und der endlich doch wieder angriffslustiger aus der gleichförmigen Dynamik der Platte ausbrechenden Knackigkeit und Härte-Nuancen ohne Überlegen ein klares Highlight gewesen – auf sich alleine gestellt bleibt die Euphorie für diese Single dann mangels wirklicher Überraschungen aber undankbarerweise doch auch ein wenig aus.
Allerdings wächst die Zuneigung mit jedem Durchgang. Weich und geschmeidig bleibend gibt vor allem Keenan sein bestes, um wieder intensiver und variabler zu arbeiten, als auf dem praktisch keine Ausbrüche bietenden Fear Inoculum – wenngleich manchmal ein bisschen bemüht intonierend. Doch der Zweck heiligt hier die Mittel und zeigt, wenn schon keine tatsächliche Angepisstheit, dann zumindest auf den Hinterbeinen stehende Zähne. Alleine, dass Keenan am Ende (mit Delay-Hilfe) sogar wieder beherzt schreit, ist da ein Aufzeigen einer wiederentdeckten Vitalität.
Dazu bekommt Opiate² als Bridge nun einen ausführlichen, transzendental meditativen Part, der Percussion-lastig kontemplativ als Tempel-Jam selbstreferentiell flaniert und vor allem Carey ins beste Licht rückt – obgleich das ohne Fanbrille betrachtet eben genau genommen nichts spektakuläres ist, weil man es so typisch von Tool schon zahlreiche Male gehört hat. Aber es funktioniert – wie nahezu alles an dieser Version – letztendlich stimmungsvoll und atmosphärisch modernisierend.
Der Exkurs dehnt Opiate jedenfalls auf knapp zehn Minuten, ohne das griffige und enorm eingängige Wesen der ursprünglichen EP-Variante strukturell wirklich komplizierter zu machen. Der Grunge-Kante von einst entledigt reißt das Stück gar dennoch zu einem wirklich feinen, weil so dringlich und kraftvoll auftretenden Finale herum, dreht energisch auf – und ist dann tatsächlich sogar zu flott beendet, weil der metallische Klimax zu rapide abgeblendet wird, anstatt zu erschöpfen.
Das Ergebnis ist letztendlich jedenfalls (je nach dem Wohlwollen des Blickwinkels gemessen) eine Überarbeitung, die sich gar nicht mit dem Hit-Original von vor 30 Jahren messen muss, weil sie sich als zeitgemäßes Spiegelbild des Band-Status-Quos eine eigene Relevanz erschmeichelt. Es ist schön, die sich selbst den Bauch pinselnden Tool im Jahr 2022 zu hören, wie sie zum Jubiläums-Anlass die Tool aus dem Jahre 1992 mit veränderten Werten covern und dabei all die derzeit das Narrativ bestimmenden überteuerten Special Editions musikalisch vergessen machen.
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