Tomb Mold – Planetary Clairvoyance
Das dritte Studioalbum im dritten Jahr bestätigt die anhaltende Formkurve und zementiert den Status Quo von Tomb Mold an der aktuellen Speerspitze des Genres: Planetary Clairvoyance ist superb destillierter Oldschool-Death Metal mit finnischer Färbung.
Wirklich überraschen sollte dies nicht. Nicht nach den Vorgängern Primordial Malignity und Manor of Infinity Forms, spätestens aber durch einen Blick auf die Trackliste. Mit Planetary Clairvoyance (They Grow Inside Pt 2) und Cerulean Salvation sind immerhin jene zwei Songs (mit minimalen Änderungen, vor allein einem etwas weniger dreckigen, fetteren Gesamtsound) präsent, die im vergangenen Jahr schon das zweite Studioalbum als externe EP um das Quäntchen düpierten. Sie geben nun auf Planetary Clairvoyance jedoch eher den allgemeinen Standard der Substanz vor, als die expliziten Highlights im längst verinnerlichten Death-Trademark zu sein: Tomb Mold haben zum zweiten Mal in Folge ein Album geschrieben, dass qualitativ um Nuancen stärker abliefert, als der Vorgänger es bereits tat, ohne ihren Sound dafür eklatant zu überholen.
Viel eher gelingt das, weil es sich die Kanadier mittlerweile zur Angewohnheit gemacht, einfach doppelt so viele starke Szenen in ihr fulminantes, so konzentriertes wie wandelbares Songwriting zu stecken als etwaige Szenekollegen, einen schier unerschöpflicheren Fundus an furiose Riffkaskaden zu besitzen. Den Rest könnte alleine schon das bolzende Klanggewand von Sean Pearson und Arthur Rizk sowie das patentierte Ekel-Science Fiction-Artwork von Jesse Jacobi (der neben Mariusz Lewandowski mutmaßlich aktuell das Monopol auf Metal-Cover besitzt) besorgen.
Allerdings ist auch die kompakte Dichte an herausragenden Ideen hinter einer noch einmal optimierten Ganzheitlichkeit gestiegen, wo die Nummern miteinander mehr denn je in einem mitreißenden, finster-atmosphärischen Fluß so unwirsch wie konzentriert verschweißt sind, sich über instrumentale Bindegewebe wie das atmosphärische Interlude Phosphorene Ultimate (das eine melancholisch durchatmende Gitarrenlinie sowie zerhackte Sprachsamples aus dem Weltraum auffängt und damit eine der wenigen Verschnaufpausen im ständigen Sturm und Drang bietet) absolut homogen aneinander zusammengefügt weiter.
Beg for Life kommt dort finster aus dem Morast geklettert und schwingt sich über ein grandioses Riff – das erste von so unglaublich vielen! – gleich auf die tackernde Achterbahn, energiegeladen und kraftvoll, zieht das Tempo bollernd röchelnd an, ballert grindig und knüppelt, ohne aus der Mitte zu balancieren. Bis die Nummer plötzlich in einen clean perlenwnden Quasi-Acoustic-Part kippt: Ein beruhigend kontrastiertet Moment zwischen den bestialischen Intensitäten und dem triumphierenden Solo im Finale – was die Band so kompromisslos gerne auch im weiteren Verlauf von Planetary Clairvoyance praktizieren hätte können.
Der Quasi-Titelsong dreht jedoch an der selben Schnittstelle die Dynamik, Intensität und Geschwindigkeit mitten im Signature Sound noch einmal explizit nach oben, ist ein gemeiner finsterer Wirbelwind – mit progressiven Twist am Ende: Wie mächtig walzend das in die thrashige Ekstase eskaliert. So konstant die Platte auch an sich ausfällt, so sehr hebt sich der Start in das dritte Studioalbum durch kleine Facetten noch einmal zusätzlich vom nachfolgenden Rest ab.
Ausfälle oder Schwachstellen finden sich auch aufgrund der herrlich ballastfreien Spielzeit, die trotz permanenten Dauerrandale kaum abstumpft, Intermezzi und Phrasierungen zulässt. Infinite Resurrection konzentriert seine martialische Wut immerhin unmittelbar explodierendend, schweift jedoch bis zu psychedelischen Färbung, bevor Accelerative Phenomenae in der ersten Hälfte seiner doch ein klein wenig zu ausführlichen Länge nicht so packend agiert, wie die Songs drumherum (vielleicht auch nur langsam durch die wenig variable Stimme von Max Klebanoff auslaugt) – bis die Band zur Mitte hin einen Stakkato-Switch vollführt, danach mit gefühlt gelöster Power noch einmal durchstartet und die Lead bis zur Doppelspitze majestätisch triumphieren lässt.
Cerulean Salvation ist danach schlau genug, mit all seiner brütenden Heavyness erst in sich zu gehen: Es tut der Platte gut, etwas von all dem Tempo und der Dringlichkeit zurückzufahren, die Balance zu wahren. Gerade im Kontext ist die Schlußphase der Platte hinsichtlich der Gesamtdynamik großes Kino. Heath Death bereitet die Dinge thrashig vor, ist dann aber unmittelbar so episch, wie ein Closer es nur sein kann, da die Band die Dinge erstmals bis in den schleppenden Doom ausbremst und letztendlich in die nasskalte Alien-Kloake zurückkriechen lässt, aus der die Platte überhaupt erst gekommen ist.
Diesen malträtierenden Aspekt am anderen Spektrum der Extreme ihres Wesens hätten Tomb Mold gerne noch ausführlicher erforschen können. Ihn als Aussicht auf zukünftige Sprints der so produktiven Kanadiern zu nehmen, ist aber ein durchaus willkommener Kompromiss.
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