To See This to the End: Mastodon

von am 7. April 2025 in Diskografie Ranking, Featured

To See This to the End: Mastodon

Brann Dailor, Bill Kelliher und Troy Sanders machen weiter. Doch mit dem augenscheinlich amikal vollzogenen Ausstieg von Brend Hinds am 7. März 2025 steht nach ziemlich genau einem Vierteljahrhundert eine markante Zäsur im Hause Mastodon an. Weswegen der Zeitpunkt des Endes des klassichen Line-Ups dann auch ein idealer Zeitpunkt ist, um auf die bisherige Diskografie der Band zurückzublicken.

Die Geschichte von Mastodon beginnt offiziell am 13. Jänner 2000. Nur wenige Tage nachdem (die zuvor gemeinsam in Lethargy spielenden und dann auch unter anderem zusammen auf dem Today Is the Day-Album In the Eyes of God engagierten) Drummer Brann Dailor und Gitarrist Bill Kelliher von New York nach Atlanta umgezogen und auf einem High on Fire-Konzert Bassist Troy Sandersund Brent Hinds (die bereits bei Four Hour Fogger zusammengearbeitet haben) kennen lernen: Man kann sich auf Sludge und klassischen Heavy Metal einigen, auf die Melvins, Neurosis, Iron Maiden und Thin Lizzy.
Gemeinsam mit Eric Saner spielt das Quartett im Juni 2000 einige Shows und eine erste Demo ein, doch der Sänger muss sich bald darauf eingestehen, sich nicht vollends auf das Projekt einlassen zu können. Womit endgültig die Zeitrechnung des klassischen Line-Ups von Mastodon anbricht.

Honorable Mention: Call of the Mastodon

Erscheinungsjahr: 2006
Produzent: Matt Washburn
Dauer: 28 Minuten

Nachdem Eric Saner die Band verlassen hat, nehmen Hinds und Sanders bzw. Dailor die Gesangsspuren der 9 Song Demo neu auf und veröffentlichen das Material 2001 auf den EPs Slick Leg (noch auf Reptilian) und Lifesblood (als Einstand bei ihrem neuen Label Relapse). Fünf Jahre später bündelt Produzent Matt Washburn es im restaurierten Sound jedoch wieder, um die 28 Minuten dem in der Zwischenzeit merklich gewachsenen Publikum als Wurzelschau Call of the Mastodon präsentieren zu können.
Dass die Musiker selbst über diese nominelle Compilation rückblickend gerne als ihr eigentliches Debütalbum sprechen, macht also historisch durchaus Sinn. Aber auch in sonstiger Hinsicht. Alles was die Band auf dem ein Jahr später erschienen Remission auszeichnen sollte – von den schwindelerregend wirbelnden Drums über die technischen Achterbahnfahrten der Riffs und Soli bis hin zur progressiv unter Strom stehenden Dynamik der grobschlächtigen Heaviness – ist hier bereits vorhanden, nur in einem kompakteren, ungezügelteren und deutlich wilderen Ausmaß. Nirgendwo sonst sind die manischen Ausbrüche von Mastodon jedenfalls derart herrlich ungestüm, ungeschliffen und von exzessiver Impulsivität.

08. The Hunter

Erscheinungsjahr: 2011
Produzent: Mike Elizondo
Spieldauer: 53 Minuten
Review: 33/50

Ohne Konzept, jedoch mit „the classical Chinese element „wood“ as a common motif throughout the album“ schwimmen sich Mastodon nach dem Kraftakt Crack the Skye (respektive dem Soundtrack für den frustrierenden Rohrkrepierer Jonah Hex) frei, indem sie auf deutlich kompaktere Songs als bisher setzen, gleichzeitig durch die Wahl des Hip Hop-geeichten Produzenten Mike Elizondo aber auch unkonventionelle Entscheidungen forcieren – Genesis-Afficionado Dailor verlangt beispielsweise einen Dukeimitierenden Drumsound, wofür er auch weniger Fills zu spielen bereit ist.
Wie erfolgreich dieser Ansatz ausfällt, ist gerade rückblickend eine ambivalent einzustufende Geschichte (die Mastodon dann so oder so eher nicht wie „really super-heavy Led Zeppelin or something“ klingen lässt). Und man kann der Platte sicher unterstellen, dass primär die Funktion innerhalb des Diskografie-Kontextes ihre Identität bestimmt. Für frischen Wind sorgt die neue Hebelwirkung jedoch zweifelsohne. Wo die Verkaufszahlen der Band (und ihrem Tribut an Hinds während der Aufnahmen bei einem Jagdunfall verstorbenen Bruder) ohnedies Recht geben, können sich schließlich wohl nicht nur Biertrinker und Feist auf Black Tongue einigen, oder Alice in Chains-Fans den Grammy-nominierten Überhit Curl of the Burl feiern, sondern vielleicht sogar auch Dave Friedman und die Flaming Lips auf abgespactere Stücke wie Creature Lives steilgehen.

07. Once More ‚Round the Sun

Erscheinungsjahr: 2014
Produzent: Nick Raskulinecz
Spieldauer: 54 Minuten
Review: 07/10

Once More ‚Round the Sun ist im Grunde die noch deutlicher auf eine Massentauglichkeit gedrillte Fortsetzung zu The Hunter, deswegen aber keineswegs so redundant, wie es auf den Erstkontakt im Juni 2014 scheint.
Sicher fehlen dem sechsten Studioalbum die designierte Zielsetzung und Bestimmung seiner Vorgängerplatten als Fokus. Doch mit seiner kommerzielleren Konsens-Ausrichtung ist es gerade in der praktisch ausnahmslos Hits abliefernden ersten Hälfte überraschenderweise ausgerechnet auf lange Sicht betrachtet erstaunlich erfolgreich. Dass die Platte danach über einen schwächelnden Mittelteil doch nachlässt (wiewohl der Cheerleader-Tribut in Aunt Lisa freilich ulkig ist, Ember City – als Namensgeber des zukünftigen Proberaums und Aufnahmestudios der Band – einen schön schwelgenden Refrain parat hat und Halloween auch überzeugend liefert), ist dann einer der Gründe, warum das Rennen um den letzten Platz in der Diskografie ein relativ knappes mit dem ein bisschen bessere Highlights habenden The Hunter bleibt.
Allerdings hat sich Once More ‚Round the Sun für die Momentaufnahme über die Jahre im direkten Vergleich merklicher gemausert und mehr noch vor allem den deutlich besseren Sound, einen idealeren Mix und die präzisere Produktion.

06. Remission

Erscheinungsjahr: 2002
Produzent: Matt Bayles
Spieldauer: 50 Minuten

Remission ist ein herausragendes Debütalbum. Seinen vergleichsweise undankbaren Platz in diesem Ranking verdankt es alleine dem Umstand, dass Mastodon ihr Potential auf den meisten nachfolgenden Platten eben einfach noch besser und eindrucksvoller von der Leine lassen sollten.
Der Einstand, der das Quartett gefühlt aus dem Stand heraus zu einer veritablen Untergrund-Sensation machte, greift weniger nach vorne, als zurück blickend erst einmal Material auf, das bis in die Gründerzeit der Band zurückreicht – passend dazu hat der T-Rex aus Jurassic Park einen Gastauftritt in Crusher Destroyer. Das von der alsbald auf Konzeptkunst abonnierten Metalband rückwirkend dem Element Feuer zugeschriebene Werk schärft dabei den von Call of the Mastodon geschaffenen Rahmen, indem es die virtuose Komplexität (wenngleich nicht in jeder Szene auf den Punkt kommend) in immer griffiger werdende, Form gießt – egal ob March of the Fire Ants alles abreißt, Mother Puncher vorwegnimmt, wie straight das Quartett zuschlagen kann, oder Elephant Man demonstriert, dass Mastodon auch mit überlangen Songlaufzeiten spannend bleiben. Hier brodelt (vor allem in der bestechenden ersten Plattenhälfte) eine ungeschliffene Urgewalt.

Mastodon - Emperor of Sand05. Emperor of Sand

Erscheinungsjahr: 2017
Produzent: Brendan O’Brien
Spieldauer: 51 Minuten
Review: 08/10 | 32/50

Ja, sicher: Show Yourself treibt das Steckenpferd Pop zu weit und kann die Grenze zum Nerven überschreiten. Aber wenn Mastodon danach mit Precious Stones, Steambreather und Roots Remain (bzw. Eons, wie Vinyl-Aficionados es nennen) oder Clandestiny ein absolut hittaugliches Highlight an das nächste ketten, um dann im Doppel aus Word to the Wise und Ancient Kingdom zwei der besten Refrains der Bandgeschichte vom Stapel zu lassen, kann man dem Quartett diese Geschmacksübertretung einfach nicht übel nehmen – obwohl der finale Triumphakt Jaguar God (mit Zappas Kumpel Mike Keneally an den Keyboards) praktisch sowieso allem vorangegangene die Show stiehlt.
Oder: Emperor of Sand ist nicht zu Unrecht das kommerziell wohl erfolgreichste Album von Mastodon. Wiewohl wir es bei einem Konzeptwerk über einen zu Tode Verurteilten auf seiner Wanderung durch Wüste – als Analogie auf die Krankheit Krebs – inhaltlich keineswegs mit leichter Kost zu tun haben, wie Dailor erzählt: „At the end of the story, the person simultaneously dies and is saved. It’s about going through cancer, going through chemotherapy and all the things associated with that. I didn’t want to be literal about it. But it’s all in there. You can read between the lines.

Mastodon - Hushed and Grim04. Hushed and Grim

Erscheinungsjahr: 2021
Produzent: David Bottrill
Spieldauer: 86 Minuten
Review: 08/10 | 26/50

Mastodon nehmen zu Ehren ihres 2018 verstorbenen langjährigen Managers und Freundes Nick John das erste Doppelalbum ihrer Karriere auf. Tatsächlich fühlt sich dieses aber schon bei seinem Erscheinen auch über die reine Tribute-Ebene hinausreichend wie ein Abschied an. Wie das ideale finale Album einer Band, die alle Tugenden seit Crack the Skye erschöpfend ausbreitet, sie ergiebig zelebriert – und damit alles gesagt haben könnte.
Man darf den auf den ersten Blick auslaugenden 86 Minuten der Platte dabei sicher vorwerfen, dass Mastodon sich für ihre achten Langspieler nicht aus dem Fenster lehnen, zu weite Strecken im Midtempo verbringen und abseits des Volumens (das ein bisschen verkrampft so unbedingt mehr als die Summe seiner Teile sein will) nichts riskieren.
Die aufgefahrenen 15 Songs entfalten sich letztlich aber ungeachtet dieser relativen Schönheitsfehler über den „Mehr vom Selben“-Rahmen hinausgehend in der gediegenen Komfortzone, zeigen flächendeckend und ausfallfrei eine konstante Zuverlässigkeit für schlichtweg grandiose, zeitlose Mastodon-Sternstunden. Bis zum wahrlich gigantischen Finale mit Gigantium ist Hushed & Grim vielleicht mehr als jedes andere Werk der Band eine eigene Welt, in der es flächendeckend hochkarätig durch ein schier endlos scheinendes Wachstum so vieles zu entdecken gibt. Mit dem weitaus mehr Gewicht als sonst stemmenden Kelliher an der Songwriting-Front und Gästen wie Kim Thayil (Soundgarden) und Mama Sanders am French Horn – aber erstmals ohne Scott Kelly – harmonieren alle Bandmitglieder in einer reichhaltigen Synergie, derweil so viele detaillierte kleine Rädchen unter dem Deckmantel des Epos ineinandergreifen. In gewisser Hinsicht ist das achte Album das melancholisch an die Grenzen gehende Opus Magnum dieser Konstellation. Danach konnte es praktisch nicht mehr weitergehen wie zuvor: „My love, so strong/ The mountains we made in the distance/ Those will stay with us.

03. Leviathan

Erscheinungsjahr: 2004
Produzent: Matt Bayles
Spieldauer: 47 Minuten

Auf dem Rückflug aus den Flitterwochen in Hawaii liest Brann Dailor Moby Dick – und machte Hermann Melvilles Klassiker (bzw. das Element Wasser) zum thematischen Rückgrad des Remission-Nachfolgers, der ganz ohne Umschweife deklarieren sollte: Wenn es so etwas wie ein schwieriges zweites Album gibt, haben Mastodon ihren ureigenen weißen Wahl in Form eines Leviathan erlegt. Mit Blood and Thunder als Gallionsfigur.
Nach dem Achtungserfolg ihres Debütalbums im Rücken und einer akribischen Live-Vorbereitung im Vorfeld für die Aufnahmen als zusätzlichen Boost („We’re gonna play all the songs from Leviathan. And rehearse them, basically, every night in front of a live audience. And then by the time we get to Seattle, where we’re recording, we’ll have everything all figured out.“) katapultieren Mastodon sich jedenfalls scheinbar mühelos in den nächsten Karrierelevel, spielen statt vor Clutch nun als Support von Slipknot oder Slayer und haben Neil Fallon sowie (den hiernach eine Feature-Dauerkarte lösen sollenden) Scott Kelly (Neurosis) zu Gast – auf einem der besten Metal-Alben der 00er-Jahre. Mindestens.
Der individuelle Sound der Band kommt schließlich nicht nur im Killer-Opener voll zum Tragen, sondern fügt Highlight an Highlight – inklusive Hits wie Iron Tusk, Über-Songs a la Megalodon oder Epen vom Format eines Hearts Alive. Und Anekdoten, wie Joey Jordison Dailor jeden Abend auf Tour angefleht haben soll, doch bitte unbedingt Seabeast zu spielen, lassen einem irgendwo ganz nostalgiefrei das Herz aufgehen.

02. Crack the Skye

Erscheinungsjahr: 2009
Produzent: Brendan O’Brien
Spieldauer: 50 Minuten

Wo Blood Mountain seinen Forscherdrang kaum bändigen wollte, ist die Prämisse von Crack the Skye schnell klar: eine vor Selbstbewusstsein nur so strotzende Band, die die Karriereleiter immer steiler nach oben klettert, will ihr unbedingtes Meisterwerk aufnehmen und stellt den Fokus dafür scharf – auf die wunderbare Welt des Prog.
Gleichzeitig mussten Mastodon auch abermals wachsen, diesmal aber innerhalb ihres Gefüges: Im Proberaum und auf Tour laufen In the Court of the Crimson King und Animals, während Brann Dailor zum dritten Leadsänger der Gruppe aufsteigt, um den Tod seiner quasi titelstiftenden Schwester (mehr noch als auf Remission bereits) unter dem Banner des Äther entlang einer absurd überkandidelten Story (um einen querschnittgelähmten Zeit-und-Astralreise-Jungen, der letztlich im Körper von Rasputin landet) zu verarbeiten. Derweil erholt sich Hinds von einer 2008 (wohl im Zuge einer besoffenen Schlägerei) erlitten habenden Gehirnblutung, indem er das grundlegend kollektive Songwriting weitestgehend als Leitwolf übernehmend zu wahren Epen ausbaut (bei denen höchstens der kompakte Kompromiss Divinations aus dem ambitionierten Rahmen fällt).
Am Ende verheben sich Mastodon nicht an diesen Umständen, sondern produzieren auf das große Ganze achtend vielleicht nicht das aufregendste, aber das rundeste, imposanteste Album ihrer Karriere – und wohl auch den Konsens, wenn es gilt, sich auf einen (Instant-)Klassiker im Kanon der ikonischen Viererbesetzung zu einigen.

01. Blood Mountain

Erscheinungsjahr: 2006
Produzent: Matt Bayles
Spieldauer: 51 Minuten

Den Aufstieg zum Major-Klienten nehmen Mastodon nicht nur als Gelegenheit wahr, um alle Tugenden von Leviathan noch flächendeckender zu zementieren, sondern auch, um sich ambitionstechnisch weiter aus dem Fenster zu lehnen. As Gipfelstürmer ohne Netz und doppelten Boden.
Auf der einen Seite geht der Übergang zu einer gleichzeitig melodischer und weniger harsch dargebrachten Brutalität nicht mit der Verwässerung der Kernsubstanz einher, auf der anderen addieren Mastodon mit den (neben Rückkehrer Scott Kelly) geladenen Gästen Josh Homme (Queens of the Stone Age) sowie Cedric Bixler-Zavala und Ikey Owens von The Mars Volta ein Mehr an Pop und Soul in ihren Sound, der hier auch vor exzessiven Experimenten wie synthetischen Verschiebungen nicht zurückschreckt, The Lamb Lies Down on Broadway zitiert und sich mit einem sowieso immer cinematographischer werdenden Panorama entlang der „50-gallon industrial drum“ in Crystal Skull vor King Kong verneigt. Genie und Wahnsinn gehen kongenial Hand in Hand, Grenzen sind zum erstürmen da.
Und auch wenn Capillarian Crest bis heute als jedes Mal neuerlich sprachlos machende Machtdemonstration darüber thront, wie technische Virtuosität die Gepflogenheiten des Songwritings domestizieren kann, ist die Basis (des übrigens soundtechnisch von Matt Bayles und Rich Costey absolut perfekt eingefangenen, soundmäßig die Messlatte der Diskografie darstellende) Blood Mountain so unendlich stimmig: die Ausbrüche der Platte nach oben sind schlichtweg  genial, nach unten gibt es auf dem aufregendsten, spannendsten und mit brutaler, sauberer Präzision energiegeladensten Werk des Quartetts einfach keine.

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