Titus Andronicus – The Will to Live
Nach zwei überragenden ersten Alben lehnen sich Titus Andronicus seit fast zwölf Jahren mit wechselndem Erfolg gegen die Irrelevanz auf. Droht dieser Windmühlen-Kampf mit The Will to Live einmal mehr verloren zu gehen?
Dass die Erwartungshaltung nach dem sehr okayen An Obelisk nicht sonderlich groß gewesen ist, spielt dem siebenten Studioalbum von Patrick Stickles und seinen Erfüllungsgehilfen an sich per se in die Hände – jede solide Leistung der Band löst mit einer gewissen nostalgischen Verklärung weiterhin unmittelbares Wohlwollen aus. Und wahrhaftig hat The Will to Live ja auch seine ohnedies überzeugenden Stärken im patentierten Amalgam aus Indie-, Heartland-, Pub- und Punkrock, nichts hier kommt (mit wenngleich zugegebenermaßen mittlerweile einfach geänderten Ansprüchen an die Band) einem Offenbarungseid gleich.
Nachdem das Intro My mother is going to kill me zwar unter seinen stumpfen, wenig Raffinesse zeigenden Drums leidet, baut der Opener den Spannungsbogen einer sehr homogenen, fein fließenden Platte erfolgreich auf, damit das grantelnde (I’m) Screwed im hemdsärmeligen Chor aufgehend seine eingängige Gefälligkeit bis zur Übersättigung treiben kann. Inspirierter und hungriger klangen Titus Andronicus sicher schon, effektiver, routinierter und zuverlässiger aber nicht immer.
Bridge and tunnel zeigt dagegen einen fein zum Shanty schunkelnde Style, läuft entwicklungsresistent unterhaltsam dahin und zeigt in der Mitte hin gar einen unerwarteten Twist, wenn die Nummer in weiblicher Hand das Tempo zur wogenden Einkehr drosselt – die meisten Kompositionen hier setzen schließlich einzig auf gniedelnde Gitarrensoli als auflösendes Momentum. Noch besser ist All Through the Night, das so angenehm luftig und locker einen schummrigen 80er-Chorus in den Hippie-Vibe steckt und endlich wieder ein ansteckendes Gemeinschaftsgefühl erzeugt – ein bisschen so, als würden bockernste Weezer mit süffisanten Wanda R.E.M. spielen?
Auch der Abgang von The Will to Live macht mit We’re coming back (ein wohl wörtlich zu nehmender, flott-hymnischer, heroischer angedeuteter Sturm im Wasserglas) und der ästhetisch schönen, latent gewichtlosen Klavierballade 69 Stones per se wenig falsch – nur eben auch kaum etwas wirklich gut, gerade gemessen an den eigenen Heydays.
Was gerade dadurch schwerer wiegt, weil The Will to Live in der generellen Ambivalenz der Qualität bis zum Finale viel ärgerlichen Ballast rumschleppt und oft die kaum schmeichelhaften Entscheidungen (wenn auch wohl zumeist unbeabsichtigt) in den Fokus der Wahrnehmung rückt.
I can not be satisfied ist (tjo, wieder wörtlich zu nehmen) etwa so ein symptomatischer Song, weil er eine exemplarische 70s-Hard Rock-Attitüde des Thin Lizzy-Fans Stickles harmonisch klimpern lässt, sich aber dabei mit Fortdauer der Nummer immer träger gebärdet. Die prolongierte Wut verpufft in einer gemütlich ein/angepissten Komfortzone, alles zieht sich ohne Biss und klingt beim Schimpfen über die Welt, als würde der Frontmann ohnedies nie vom Tresen aufstehen wollen.
Das torkelnde Interlude Grey Goo ist abseits der Homogenität redundant und Dead Meat ein 08/15 Punk-Ventil, simpel einfallslos und eindimensional, sogar bocklangweilig, weil der Funke in der Banalität auf keiner Ebene zünden will. Der poppige Singalong An Anomaly krankt abermals an der enervierend stumpfen Uff-Zack-Rhythmussektion und das nette Give Me Grief wäre The Soundtrack of Our Lives wohl viel zu gediegen gewesen. In Baby Crazy versucht Stickles vergeblich eine stimmliche Dringlichkeit zu injizieren, weil seine Kombo einfach zu ungefährlich und repetitiv agiert. Dass hier eine Idee für einen kurzweiligen 120-Sekunden-Song auf die doppelte Spielzeit aufgeblasen wird, tut natürlich auch niemandem einen Gefallen.
Letztendlich ist all diese Kritik dann jedoch vielleicht auch enttäuschter und frustrierter formuliert als es eigentlich nötig wäre, denn tatsächlich nehmen sich The Will to Live, An Obelisk, A Productive Cough oder Local Business im Niveau nur wenig – einzig The Most Lamentable Tragedy sticht aus der Diskografie von Titus Andronicus im vergangenen Jahrzehnt heraus. Was im Umkehrschluss allerdings auch bedeutet: Wen die immer weitermachende Band in dieser Zeit nicht verloren hat, der bleibt wahrscheinlich auch mit diesen 51 Minuten an Bord.
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