Titus Andronicus – Local Business
Und plötzlich rocken sie unbeschwert ihren punkigen Allzweck-Indierock-Gemüsegarten: Titus Andronicus werfen die Last, unter der ‚The Airing of Grievances‚ und das Meisterwerk ‚The Monitor‚ zu überragenden Brocken heranwuchsen für ‚Local Business‚ ab und spielen gegen Altlasten an. Eine unheimlich enttäuschende Angelegenheit und trotzdem ein gutes Album.
Patrick Stickles ist auf Konfrontationskurs mit den ersten beiden Studioalben seiner mit nur zwei Veröffentlichungen zum Flaggschiff des Underground-Mainstream in allen Gebieten von Punk über Indie und Country bis Folk-Rock mutierten Band, deren Kernbesetzung für ‚Local Business‚ mal wieder ordentlich rotiert hat: Verbündete sind von Bord gefegt, alte Weggefährten dafür wieder angespült worden – und sowieso ist auf ‚Local Business‚ einiges ganz anders als bisher. Das beginnt bei der Totalrasur des ehedem in seinen gammeligen Hispter-Vollbart schwitzenden Sänger Stickles, der mit dem verlorenen Gesichtshaar auch einen nicht geringen Teil jener juvenilen Hysterie, die Titus Andronicus Platten bisher vor Dringlichkeit schier platzen zu lassen schienen in seiner Stmme ad acta gelegt zu haben scheint- und setzt sich fort in der plakativ simplen Artwork-Auswahl, die sich weitaus weniger vielschichtig gibt, als es die anachronistischen Kunstgriffe von ‚The Airing of Grievances‘ und ‚The Monitor‚ noch von vornherein suggerierten. Spätestens, wenn ‚Ecce Homo‚ der unmittelbarste Startschuss in ein Titus Andronicus-Album bisher geworden ist, ergibt beides in gewisser Weise jedoch Sinn: hier geht es um die direkte und unkaschierte Freude an der Sache an sich – nur nicht wieder kompliziert mit unzähligen Schichten und Hakenschlägen um dutzende Ecken hechten, sondern einfach mal machen.
‚Local Business‚ bemüht sich mit klassischen Titus Andronicus-Mitteln phasenweise geradezu angestrengt, kein derart forderndes Album zu werden, wie es seine Vorgänger waren. Womit es schon im Ansatz eine herbe Enttäuschung darstellt, kann es sich damit doch auch nicht ansatzweise mit der bisherigen Discographie der Band messen. Und wirklich: Titus Andronicus haben schon deutlich bessere Songs geschrieben. Diese Stelle meint man mit leicht veränderter Melodiefolge dennoch bereits zu kennen, jene klingt geradezu unmotiviert simpel gehalten, eine gewisse Formelhaftigkeit hat sich eingeschlichen Beim ausladenden Interaktionspart von ‚(I Am The) Electric Man‚, einem penetrant gut gelaunten aber zuvorkommenden Bar-Rocker, kann man nicht einmal mehr sicher sein, ob Titus Andronicus selbst ihrem dritten Album stets genug Ernst entgegen bringen. Die neue Leichtigkeit in der Herangehensweise an die Songs, sie kann sehr leicht mit Langeweile und Belanglosigkeit verwechselt werden. Im direkten Vergleich mit den überlebensgroßen Vorgängern ist das große Freischwimmen ‚Local Business‚ dann auch beinahe ein Altherren-Album geworden, eines, das dezent dröge auf den ersten, zweiten, und auch zehnten Blick geradezu frustrierend enttäuschen kann, wird, vielleicht sogar muß, weil es das auch will.
Anders ist es nicht zu erklären, dass obwohl wieder Kevin McMahon am Produzentensessel Platz genommen hat, der Sound der Platte verstörend zahm und gesittet ausgefallen ist. Ohne die Lautstärke auf maximalen Anschlag zu drehen funktioniert ‚Local Business‚ schlicht nicht, da fehlt an jeder der zarten Ecken der nötige Biss, die bisher kultivierte, unbändige Spielwut wird durch die kraftlose Kulisse zusätzlich gehemmt, das wirkt satt und träge, wer da nicht Einsatz zeigt, hat spätestens am ausladenden Ende von ‚Tried To Quit Smoking‚ mit schlafenden Füßen zu kämpfen.
Es ist also ein ansatzweise krampfhafter Kraftakt, sich als Fan die Vorzüge von ‚Local Business‚ zu erkämpfen. Auch dann werden Momente wie der Chor-Part im Hintergrund des Mittelteil des streunenden ‚Ecce Homo‚ nicht jene Gänsehaut hervorrufen, die einen dazu verleitet Stühle in purem Tatendrang aus den Fenstern zu werfen. Lichtet sich jedoch der Schleier der Beliebigkeit, haben Titus Andronicus ihre leicht bekömmliche Trockenübung mit zahlreichen starken Momenten mit Musik kreiert, welche es immer noch mit natürlichen Verrenkungen schafft, Bruce Springsteen, Tom Petty, The Pogues und The Hold Steady stimmungsvoll unter einen Hut zu bringen, auch, wenn man damit nicht mehr bedingungslos mitreißen kann.
Das Feuer lodert nach wie vor, es brennt nur nicht mehr derart unter den Fingernägeln. Die rohe Unmittelbarkeit wird im getragenen Rocker ‚Still Life With Hot Deuce On Silver Platter‚ zugunsten einem neckischen Melodiereigen hinten an gestellt, das bereits bekannte ‚Upon Viewing Oregon’s Landscape With The Flood Of Detritus‚ ist als munterer Sturm-und-Drang-Vertreter am nächsten dran an der lieb-gewonnenen Hitzigkeit der Band und hat absolut nichts schaumgebremstes. ‚Food Fight!‚ ist als bluesiges Rockabilly-Intermezzo ein einziges Sinnbild für die neu gefundene Unbeschwertheit, auch, wenn epische Songs nicht vollends aus dem Repertoire verschwunden sind: ‚My Eating Disorder‚ schraubt Teilstück an Teilstück zu einer beinahe progressiven Rockoper in allen Schattierungen, der Mundharmonika-depriemierte Brocken ‚Tried To Quit Smoking‚ versucht dann allzu verkrampft eine fokussiertere Variation von ‚The Battle of Hampton Roads‚ zu sein. ‚Titus Andronicus vs. The Absurd Universe (3rd Round KO)‚ ist stattdessen energisch in Punkgefilden unterwegs, aber letztendlich die ziellose Fortführung des ‚Food Fight!‚-Grundgedankens, was das fulminante Doppel ‚In A Big City‚ (ein brodelnder Countryrabauke mit melancholischen Ambitionen samt hymnisch gedachten Finale) und ‚In A Small Body‚ (als Höhepunkt der Platte ein gutmütiger Breitwand-Popsong im ausladenden Titus Andronicus-Gewand, der es sich irgendwann gar in betörend schönen Streicherarrangements bequem macht und dazu den ewigen Stickles-Helden Weezer mit astreiner ‚Buddy Holly‚-Verneigung Tribut zollt) jedoch weitestgehend wett machen können.
Geht der Knopf erst einmal auf, unterhalten Titus Andronicus diesmal eben mit einem Grower in weitestgehend glanzloser Souveränität und beschwingter Kurzweiligkeit. Wer da ‚The Airing of Grievances‚ und ‚The Monitor‚ ausklammern kann ist deutlich im Vorteil – alle anderen dürfen auf hohem Niveau über die Erwartungshaltungen an die Band jammern. Und sich insgeheim doch auch über die Erkenntnis freuen, dass selbst eine deutlich schwächelnde Titus Andronicus-Platte der Konkurrenz voraus ist.
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