Titus Andronicus – An Obelisk

von am 24. Juni 2019 in Album

Titus Andronicus – An Obelisk

Dass Titus Andronicus nach dem schockierend trägen A Productive Cough einen saftigen Arschritt brauchen würden, um wieder in die Spur zu finden, war klar. Dass Altmeister Bob Mould diesen Job für An Obelisk übernimmt, überrascht dann aber doch.

Wo auf dem finanziellen wie kreativen Vollflop des Pubrock-Langweilers A Productive Cough die gravierendsten Probleme lagen, war wohl nicht nur der Hüsker Dü-Legende Mould klar. Er setzt nun zumindest die richtigen Hebel an, um wieder ein bisschen Schwung in die Bar von Patrick Stickles zu bekommen, indem er An Obelisk alleine schon eine kompaktere Spielzeit (rund 38 Minuten) verordnet, die Songs schmissiger und mit mehr Pfeffer inszeniert, das Tempo (ohne die Dringlichkeit der ersten zwei Alben) ständig hochgehalten sehen will – dass sich etwa ein Troubleman Unlimited gut abgehangen in das Midtempo zurücklehnt bleibt eine Ausnahme der Regel, findet dafür aber ein Solo und eine Cowbell, macht hinten raus sogar ein bisschen auf. Für derartige Entwicklungen haben die Kompositionen selten Zeit.
Was man Mould nur bedingt ankreiden kann ist nämlich, ist, dass seine Betreuung und Frischzellenkur eher einer Fassadenrestauration gleich kommt, viele Probleme von Titus Andronicus im Kern erhalten bleiben.

An Obelisk ist eine ernüchternd auf Nummer Sicher gehende Platte geworden, die sich fast schon verbissen darum bemüht, sich mit der letzten verbliebenen Fanbasis auszusöhnen, dabei aber nicht kaschieren kann, dass Stickles mit einigen substanzlosen bis sogar blamablen Texten nichts mehr essentielles zu sagen hat, seine affektierte Performance in den schwächsten Szenen ohne Substanz regelrecht unangenehm borniert wirken kann, während seine Erfüllungsgehilfen Songs ohne frische Ideen spielen müssen, die bestensfalls uninspirierte Schatten der Großtaten The Airing of Grievances, The Monitor und auch The Most Lamentable Tragedy darstellen.
Da ist zwar wieder mehr punkige Energie und Saft im Auftreten, eine fokussiertere Dynamik und eine stromlinienförmige Konzentration der Ambition, wodurch der Blick auf das Wesentliche geschärft wird. Doch die prolongierte Wut und Leidenschaft wirkt eher wie ein Mittel zum Zweck. Stickles klingt, als hätte er einen Stress damit, die Songs schnellstmöglich hinter sich zu bringen, gönnt Ihnen keine Schnörkel, keine überraschenden Spielereien, auch kaum Leidenschaft. Jede Nummer endet beinahe exakt so, wie er begonnen hat, was eine ermüdende Vorhersehbarkeit bedeutet, wenn alles auf einem genormten Level und Niveau zu eindimensional durchläuft. Letztendlich funktioniert An Obeslisk so ähnlich wie bereits (das im direkten Vergleich schwächer abschneidende) Local Business eher als unterhaltsame Momentaufnahme, von der in Summe wenig abseits der grundlegenden Charaktereigenschaften und Ambitionen innerhalb der Titus Andronicus`schen Karriere hängen bleibt.

Gleich Just Like Ringing a Bell eröffnet symptomatisch – ist schmissig, direkt, simpler Rock’n’Roll, der bis zu seinem gniedelnden Solo und den später einsetzenden Backing-„Oh Yeah“s andeutet, die muntere Geradlinigkeit zu variieren, macht dann den Sack des stürmischen Auftretens doch nur stromlinienförmig zu, ermüdet ein wenig. Ähnlich sind der punkig-flotte Sprinter (I Blame) Society mit seinem kraftvollen Gesang konzipiert, auch das drückende Beneath the Boot oder das knackige On the Street.
Man muss sich von einem ermüdenden Riffrocker wie Within the Gravitron trotz polternder Drums ohne die richtige Stimmung nicht anstecken lassen, aber darf am beschwingten Wesen von The Lion Inside trotzdem unverbindlichen Spaß haben. In solchen Momenten gelingt Stickles nämlich eventuell, was A Productive Cough so verzweifelt inszenieren wollte: Käme man spontan in einer Bar vorbei, in der Titus Andronicus gerade auftreten, würde man nicht mehr genervt abdrehen, sondern sich phasenweise sogar wieder verschwitzt in die erste Reihe wuchten. Am deutlichsten wird dieser Spielwitz, wenn My Body and Me groovenden Thin Lizzy-Southern Rock zum souligen Gospel führt, das zurückgelehnt nach vorne treibende Hey Ma in der DNA von CCR badend irgendwann hemmungslos ausfranst oder das finale Tumult Around the World wie ein frecher Coversong-Klassiker ohne Offenlegung seiner Wurzeln feiert – eventuell Baba O’Riley ohne Synthies?
Egal: Titus Andronicus ist eine in die richtige Richtung drängende Songsammlung gelungen, die man auf Platte im Ganzen wohl zukünftig kaum oft konsumieren wollen wird, deren einzelne Stücke aber zumindest durchaus als Katalysator für kommende Liveshows taugen. Auch An Obelisk bietet damit keine essentielle Rechtfertigung dafür, dass diese Band weitermacht – es ist aber zumindest kein neuerlicher Sakrileg an den eigenen Meisterstücken.

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