Title Fight – Floral Green
von Oliver am 18. September 2012 in Album, Heavy Rotation
Mit ‚Floral Green‚ haben Title Fight ihren persönlichen Soundtrack zum Erwachsenwerden gleich selber aufgenommen. Quasi nebenbei wurden zudem die feinen Luftlöcher in ihrem Emo-Hardcore-Pop-Punkrock abgedichtet und Nachhilfestunden in Sachen Alternative-Rock genommen. Und auf dem Weg zu neuen Ufern gleich ohnedies alles noch eine Ecke besser gemacht als bisher.
‚Shed‚ deutete mit Songs wie der melancholischen Ruheoase ‚Safe In Your Skin‚ ja bereits an, dass die Reise für die vier Jungspunde aus Kingston irgendwann Richtung Alternative Rock und beschaulicherer Gangart gehen könnte. Das es freilich keine siebzehn Monate später schon soweit sein würde, hätten sich freilich wohl nur die wenigsten zu erträumen gewagt. Was vermutlich auch weniger daran gelegen haben mag, dass Title Fight knappe neun Jahre seit ihrer Gründung brauchten, um endlich für ein Album ins Studio zu gehen, als dass die Idole der Band auf ihrem Debüt einfach noch zu markant durschienen – und die eben nahezu nahtlos aus dem Hardcore und frühen, unverdorbenen Emocore kamen: Jawbreaker, Lifetime und Saves the Day etwa, Gorilla Biscuits oder aber Quicksand sogar noch viel mehr – natürlich. Vielleicht war die so markante Handschrift von Produzent und Szene-Gott Walter Schreifels doch ein wenig zu deutlich durch ‚Shed‚ gedrungen? Obwohl nun auch ‚Floral Green‚ nicht gerade mit Referenzen geizt – die da von Hot Water Music über Hum bis sogar in den frühen Rock der Smashing Pumpkins verfolgt werden können – hat Will Yip (u.a. Circa Survive) es nun jedenfalls doch verstanden, den Charakter der Band aus dem ganzen Sozialisationsgewächs deutlicher hervorzukehren.
Dass sich dazu generell einiges getan hat seid ‚Shed‚, das stellt schon ‚Numb, But I Still Feel It‚ klar: Ned Russin klingt wie seine gesamte Band im Gesamten rauer, roher, kehliger, hat sich an Erfahrung wundgeschrien; immer noch ist das unverkennbar die Truppe, die im letzten Jahr quer durch alle Szenen durch die Decke ging – doch scheint nun noch mehr auf zusätzlichen Ebenen zu passieren, ohne den unmittelbaren Punch der Band auch nur eine Sekunde lang zu überladen.“But did you know I hold my breath through every tunnel?“ malt gleich bildreich die lieb gewonnene Mischung aus juveniler Romantik, Alltagsproblemen, Sehnsucht und Herzenschmerzen in den verschwitzten Nachthimmel, das sind Songs bei denen Freundschaften zerbrechen und entstehen. Das Phrasenschwein quiekt, doch es stimmt: Title Fight sind mit ‚Floral Green‚ ein ganzes Stück weit erwachsener geworden, an ihren Stärken gereift und haben zudem kapiert, welche Ingredienzien am besten funktionieren, um ihre charmant eingängigen Songhappen noch hittauglicher zu machen: ‚Leaf‚ ist etwa so ein astreines Exemplar, das auch ‚Shed‚ gut gestanden hätte, in seiner getriebenen Hast, seiner ansteckenden Dringlichkeit und seiner punkigen Hardcorestimmung im Popmodus. ‚Like A Ritual‚ steht da in nichts nach, hat aber gegen ‚Secret Society‚ mit seinen metallenen Basslauf und der hartnäckigsten Hookline hinsichtlich des Hitfaktors kaum eine Chance – und ein aus der Hintertür flüchtendes Gitarrensolo schon gar nicht.
Das vorab bekannte ‚Head In The Ceiling Fan‚ ist schließlich der Knackpunkt der Platte und ein bisschen das, was ‚Safe in Your Skin‚ für ‚Shed‚ war: das Statement, das den Willen zur Veränderung auf den Punkt bringt. Title Fight nehmen das Tempo ein wenig heraus, lassen dafür die Schwermut umso nachdrücklicher in ihren Sound, der im beinahe epischen Shoegaze die Härte einer Band definiert, die nicht zwangsläufig den Fuß am Gaspedal haben muß und damit auch die folgende Evolution der Band an sich vorwegnimmt. ‚Make You Cry‚ schreit sich den Frust mit pulsierenden Adern an der Schläfe aus der Seele, braucht dabei aber weitestgehend nur Midtempo-Mittel. Jamie Rhoden und in erster Linie der in die erste Reihe tretende Ned Russin stemmen ‚Floral Green‚ stimmlich weiterhin ohne Gnade am Anschlag, doch kehren sie spätestens zur Mitte den melodischen Part ihrer Songs hervor, langen nicht in letzter Konsequenz zu, sondern verneigen sich eher tief im Alternative Rock verwurzelt vor den 1990ern. ‚Calloused‚ gibt so den nickenden Grooverocker im Title Fight-Gewand, ‚Lefty‚ ist mit über vier Minuten nicht nur der längste Song der Bandkarriere, sondern in seinem auf-und-absteigenden Rhythmus auch einer der herausragendsten: dass das im Proberaum als „Rap-Song“ (Ned: „All I could think of was someone rapping really fast over it.„) angedachte Juwel mit seinen Ruhepolen doch wieder mehr nach Schreifels klingt, als der anvisierte Kanye West, ist dann aber nur gut so.
‚In-between‚ treibt die Ursprungssuche der Band in ihrem Sound abschließend auf die Spitze und rundet eventuell gar die Entwicklungsphase von Title Fight ab. Beginnt ‚Floral Green‚ noch unverkennbar als Fortsetzung von ‚Shed‚, endet das Zweitwerk von Jamie Rhoden, Shane Moran, Ned und Ben Russin (ja, verwand mit Cold World Sänger Alex!) als dessen im nahverhältnis weitergedachte Verlängerung und ist damit knapp dran am Paradebeispiel des so schwierigen zweiten Albums gelandet – indem es die Vorzüge der Band klar betont und sich dennoch nicht scheut, zu neuen Ufern aufzubrechen – gleichermaßen Crowd Pleaser wie mutige Weiterentwicklung geworden ist. Erinnerungen an den Quantensprung, den die Tourkollegen Touché Amoré zwischen erstem und zweitem Album hingelegt haben, werden wach und wären Title Fight nicht bereits mit ‚Shed‚ in die Herzen tausender Jünger gestürmt, würde spätestens ‚Floral Green‚ nun den absoluten Durchbruch bedeuten. Wahrscheinlich aber muss man bei den vieren inzwischen in größeren Maßstäben denken, verdeutlichen die elf neuen Songs doch nur, was man bereits letztes Jahr vermuten durfte: Grenzen nach oben gibt es für Title Fight wohl keine.
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