Tim Heidecker – Slipping Away

von am 24. Oktober 2024 in Album

Tim Heidecker – Slipping Away

Ein (neues Promo-)Bild sagt zwar eigentlich schon mehr als tausend Worte, aber egal: Tim Heidecker hat auf Fear of Death (2020) und High School (2022) mit Slipping Away sein bisher rundestes, formkonstantestes Album aufgenommen.

Now when I wake up and it’s still dark/ I think about when I was cool/ Have a cup of coffee, turn off the news/ It’s time to take the kids to school/ I’m not the leader of any social scene/ I got bills to pay/ I gotta keep working every day/ The only award that I am gonna see/ Is from my family, and that should be enough for me“ singt Heidecker im wunderbar entspannt Richtung Mac DeMarco gehenden Dad of the Year – einer idealen, weil in Sachen Stil und Qualität absolut repräsentativen Single für das dazugehörige Album im Ganzen.
Slipping Away legt es nun ebenfalls nicht darauf an Preise abzukassieren. Genau genommen klingen die kurzweiligen Minuten so relaxt in ihrer unspektakulären Nonchalance, als müsste Heidecker ohnedies niemandem mehr etwas beweisen.

In Well’s Running Dry schlendert er von weiblichen Harmonien begleitet munter die Straße entlang, die Gitarren klampfen klar über den tänzelndem Rhythmus und wirken bis zum verabschiedenden Country Rock-Solo ein bisschen wie unangestrengt poppiger Big Thief-Folkrock, bevor Trippin‘ (Slippin‘) vorwärts schunkelt und das Tempo hinten raus hochdreht, um den Übergang zum fast fetzenden Bar-Klimpern des flotten Like I Do noch stimmiger zu gestalten: Ein irgendwie romantischer Walk of Life aus der zurückgelehnten ZZ Top-Storyteller-Perspektive?
Heidecker hat jedenfalls eine stimmige Dynamik für Slipping Away gefunden, hält das Pacing in einer (im besten Sinne angenehm nebenbei zu hörenden und risikofreien) Komfortzone locker, ohne die Dinge schleifen zu lassen, und muß dank eingängiger, unaufdringlicher Slacker-Melodien und viel Gespür für ein zwangloses Auftreten als Musiker keine penetrante Reibung erzeugen, um nicht über den Rand der allgegenwärtigen Gefälligkeit zu stolpern.

Das Tempo taucht er nach Like I Do eigentlich auch nur noch für das weich am knackigen Rockabilly-Grusel-Twang angelehnte Bows and Arrows an, drumherum genügt ein lässiger Zug nach vorne – ruhig mit ein bisschen Gemütlichkeit und nach innen gehend. Bottom of the 8th treibt legerer durch die Erinnerung an die Kindheit und Something Somewhere findet mit schöner Melancholie sentimentale Streicher ohne Kitsch: „There is a feeling I get/ When things are going good, but it’s coming to an end/ A kind of sadness/ Then it passes/ And I pack it into the back of my head„.
Slipping Away ist immer unterhaltsam und bodenständig, manchmal amüsant und selten eine universelle Botschaft mit zu speziellen Szenarien austauschend (etwa, wenn der Opener den eigenen Status Quo der Vergänglichkeit mit dem neuen Bandgefüge relativiert und die Emotionen des Hörer dabei ein bisschen verliert). Vor allem aber ist da immer wieder eine tiefgehende Reife, die der 48 jährige in seiner Musik so bisher nicht oft zugelassen hat.

Nachdem Hey, Would You Call My Mom for Me in behutsamen Wehmut den Americana macht und I Went into Town minimalistische kammermusikalische Tendenzen zupft, mit Bläsern auskeidet und dann geduldig schreitend sorglos pfeift, ist es auch ein Ausdruck dieser neuen Selbstsicherheit und nach einer Weisheit jenseits des eigenen Seins suchenden Attitüde, dass Bells Are Ringing zurückgenommen beginnt, seine Arrangements dafür aber nach und nach umso versierter erblühen lässt und am Ende gar einem cheesy Kinderchor das Feld überlässt, sich mit einem ergreifend-einfühlsamem Bild aus dem Quasi-Konzeptalbum veraschiedet: „Everything old once was young/ Everything young someday dies/ But underground, maybe there’s lovе growing/ Not a lot, but it’s all we have/ And it might just be еnough/ It might just be enough.


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