Tides of Man – Young & Courageous
Seit dem letzten Album ‚Dreamhouse‚ vor knapp vier Jahren hat sich bei Tides of Man viel getan. Daniel Miller ist als neuer Gitarrist zur Band gestoßen, Sänger Tilian Pearson hat die Band verlassen, singt nun bei Dance Gavin Dance und hat auch noch sein Soloprojekt Tilian am Start. Währenddessen haben Tides of Man gefühlte Ewigkeiten vergeblich nach einem adäquaten Ersatz gesucht, nur um am Ende zu dem Schluss zu kommen, dass ein neuer Sänger vielleicht gar nicht die richtige Lösung ist. Auf ‚Young and Courageous‚ nehmen Tides of Man etwas Wind aus den Segeln des immerzu vorwärtstreibenden Luftschiffs ‚Dreamhouse‚ und finden sich dabei ganz und gar im Post-Rock wieder.
Schon im Vorfeld wurde viel darüber spekuliert, wie und ob Tides of Man ohne ihren Ausnahmesänger Tilian Pearson überhaupt funktioniert könnten, war seine Stimme [und die paar Unter- und Überstimmen, die sie stets begleiteten] doch immer ein zentraler Teil der Musik der Band aus Tampa. Doch man ließ sich nicht beirren und hat via Indiegogo knapp $ 17.000,- gesammelt, um das neue Album in gewohnt erstklassiger Qualität zu produzieren, was den Grundstein für die erfolgreiche Metamorphose gelegt hat.
Der Opener ‚Desolate. Magnificent.‚ lässt bereits erahnen, was einen die nächste knappe Stunde erwartet: reverblastige Gitarren, weite Soundlandschaften mit verträumter Atmosphäre und enorm versierte Gitarrenarbeit, die sich nicht bloß auf schimmernde Arpeggios und das gute alte Delaypedal verlässt, sondern auch sich langsam zusammenbrauende Crescendi und plötzliche Eruptionen gezielt einzusetzen weiß. Das schon vorab veröffentlichte ‚Mountain House‚ ließ die Befürchtung aufkommen, dass Tides of Man völlig unbeeindruckt vom Fehlen eines [fantastischen] Sängers wie gehabt ihre Songs schreiben und ihr neues Werk dadurch bloß eine abgemagerte Version alter Glanztaten wäre, doch weit gefehlt. ‚Drift‚ etwa mutet zu Beginn beinahe wie ein loser Jam an, bevor durchdachte Songstrukturen und gezielte laut/leise-Wechsel aufzeigen, dass man hier seine Hausaufgaben in puncto Post-Rock, Pflichtwahlfach Dynamik, gemacht hat.
Mancherorts finden sich auch große Melodien, die sich über einem komplexen Klangteppich breit machen, wie auf dem Titelsong ‚Young and Courageous‚, der es versteht, sich stetig durch mehr und mehr Soundschichten aufzubauen, bis es schließlich zur unvermeidlichen Katastrophe kommt. Und während sich der Großteil der Songs auf dem Album zwischen den für Post-Rock eigentlich schon ziemlich knackigen 5-7 Minuten bewegen, hat sich mit ‚All the Years‚ ein 2-minütiges Gustostück eingeschlichen, das Josh Goulds Schlagzeugspiel dezent in den Vordergrund stellt und dabei ruhig ein wenig länger ausfallen hätte dürfen.
Natürlich lassen sich in dem relativ homogenen Genre problemlos Referenzen zu verschiedensten Bands ziehen, und man merkt sehr wohl, dass etwa Explosions in the Sky oder Do Make Say Think nicht ohne Grund unter den Einflüssen der Band auf ihrer Facebook-Präsenz angeführt werden. Nichtsdestotrotz haben Tides of Man es hier geschafft einerseits ihrem alten Sound treu zu bleiben und gleichzeitig eine ganz eigene kleine Sparte für sich zu erschlie§en.
Am Ende erweist sich ‚Young and Courageous‚ als Grower, der einem über die gesamte Albumlänge zunächst vielleicht etwas langatmig anmuten mag, nach einigen Durchgängen seine Schönheit aber nach und nach entfaltet. Und wenn man vergessen kann, dass es sich hier um ein und dieselbe Band handelt, die die beiden Meisterwerke ‚Empire Theory‚ und ‚Dreamhouse‚ an den Tag gelegt hat, wird man damit auch bestimmt längerfristig glücklich werden können.
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