Thrice – The Artist in the Ambulance (Revisited)
Thrice haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie mit dem Sound von The Artist in the Ambulance nicht zufrieden sind. Zum 20 jährigen Jubiläum spendiert die Band ihrem dezidierten Durchbruchsalbum deswegen auch endlich ein Revisited-Neuaufnahme.
The Artist in the Ambulance war nach dem stilprägenden The Illusion of Safety gefühlt immer das Album, bevor Thrice auf lange Sicht wirklich zu Thrice wurden; ein Drittwerk mit zahlreichen Szene-Instant-Hits – aber eben auch einem irritierend klinisch-komprimierten Metalcore-Sound, den man gerade im Rückblick zwar untrennbar mit Erinnerungen und der Zeit nach der Jahrtausendwende verbindet, der Thrice aber eben auch in ein unverdient generisches Genre-Standard-Gewand steckte.
Auch die Band selbst hat diesen Umstand stets kritisch betrachtet, hat bemängelt, dass der regelrecht klischeehafte Mix die Dynamiken und subtilen Schattierungen des Materials unverdient gebügelt habe.
An dieser Unzufriedenheit setzt The Artist in the Ambulance – Revisited nun vor einer dazugehörigen Tour an: Die Inszenierung („Produced by Thrice; Engineered by Teppei Teranishi at New Grass Studios; Mixed by Scott Evans at Antisleep Audio; Mastered by Matt Barnhart at Chicago Mastering Service“) ist ästhetisch nunmehr dort, wo Thrice sich mit Vheissu weg ein Hoheitsgebiet im Alternative Rock zu erbauen begannen – und damit auch näher an dem, wie die Songs live schon lange auftreten.
Und tatsächlich gewinnt das Album in der neuen Form grundlegend, hat einen im Kontext schlüssigeren Charakter, zumal alles mehr atmen kann und räumlicher wirkt. Spätestens wenn das Spiel des Quartetts mit Fortdauer aber auch wuchtiger, respektive ein bisschen schwerfälliger und träger agiert, ist klar, dass die Modifikation des Albums auch durchaus ambivalente Seiten mit sich trägt, die vordergründig aber alleine der Tatsache geschuldet sind, dass die vergangenen zwei Jahrzehnte an den damaligen Jungspunden Thrice freilich nicht spurlos vorübergegangen sind.
Primär liegt das daran, dass Dustin Kensrue nicht mehr dieselbe juvenile Energie an den Tag legt wie 2002, seine Stimme mittlerweile merklich älter geworden mit mehr Pathos presst – nachzuhören wohl am deutlichsten im ehedem poppunkigen Titelstück, das seine schmissige Sturm-und-Drang-Attitüde schon auch ein wenig verloren hat. Was keinesfalls bedeuten soll, dass der packende Druck verloren gegangen wäre, das keineswegs – er hat sich nur neu verlagert.
Und dass die ruhigen Passagen nun weitaus elegischer und sphärischer in die ambienten Parts eintauchen, muss man wohl mögen – subjektiv passt das zumindest zu dieser organischeren Interpretation von The Artist in the Ambulance ganz hervorragend. Selbst hier hat die Band allerdings viel Sorgfalt und Umsicht bei etwaigen Änderungen bewiesen und den Kern der Platte intakt gelassen.
Anders wäre es auch kaum denkbar, dass sich diesmal enorm populäre Gäste an den Mikros finden – Ryan Osterman (Holy Fawn), Chuck Ragan (Hot Water Music), Sam Carter (Architects), Mike Minnick (Curl Up and Die), Brian McTernan (Be Well und seines Zeichens bekanntlich Produzent der Original-Platte) sowie Andy Hull (Manchester Orchestra) -, ihren Gesang aber stets absolut ansatzlos in den Dienst der Songs stellen und so keineswegs individuelles Scheinwerferlicht ablenkt, sondern die Vocal-Harmonie an vielen Stellen hier einfach deutlich tragender funktionieren und damit sinnbildlich für die vielschichtigere Bandbreite der konsequenten Revisited-Versionen stehen.
Während man, will man rein aus Nostalgiegründen zu The Artist in the Ambulance zurückkehren, freilich stets zum Original greifen wird, fügt sich die 2023er-Variante in das Gesamtwerk jedoch natürlich stimmiger ein. Das Beste ist aber insofern sowieso, dass man sich nicht zwischen den beiden Ausgaben entscheiden muss und sich die Neuaufnahme weniger wie eine Kritik am Original, denn wie ein würdig gealteter Liebesbrief an dieses anfühlt.
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