Thrice – Palms
Ohne sich dezidiert aus vertrauten Hoheitsgebieten zu entfernen, ist Palms beinahe das frische und ambitionierte Werk geworden, dass man sich von Thrice eigentlich bereits vor zwei Jahren anstelle des symptomatisch betitelten To Be Everywhere is To Be Nowhere gewünscht hätte.
Eben dieses Comebackwerk war mit seiner ziemlich ernüchternden Formelhaftigkeit und viel zu leicht zu durchschauenden Alternative Rock-Eingängigkeit schließlich eine Platte in die reine Komfortzone hinein werkelnd – Thrice wollten mit Sicherheitsleine für jeden da sein. Was dem konservativen To Be Everywhere is To Be Nowhere hinter seinen am Anthem-Reißbrett konstruierten Ohrwürmern jedoch fehlte, war jegliche mutige Ambition, die fünf Jahre dauernde Bandpause seit Major/Minor (2011) auch in innovativere Ansätzen und aufregenderen Herausforderungen außerhalb des typischen MO umzumünzen.
Palms versucht dort bereits im Vorfeld anzusetzen und gibt dem zehnten Album der Kalifornier das erste Konzept seit The Alchemy Indexals Grundlage mit auf den Weg, wie Dustin Kensrue erklärt: „Wenn man sich von den Texten annähert, ist Palms unsere erste Platte, die nur einem Leitmotiv folgt. (…) Sie ist aus der Frage heraus entstanden, was die offene Handfläche als Metapher bedeuten kann, speziell im Gegensatz zu geballten Faust. Es kann zum Beispiel bedeuten, dass man gegenüber neuen Ideen aufgeschlossen ist.„
Dieser Empfängnisbereitschaft für frische Impulse legen Thrice nun tatsächlich an den Tag, auch wenn nicht nur The Grey (ein straighter Hit, der in der Strophe energischer und unberechenbarer sein will, als es der effektiv auf Live-Endorphine angesetzte Refrain letztendlich zulässt) oder gerade Hold Up a Light (ein knackige Rocker, der mit stampfenden Gesten strukturell zu konventionell-repetitiv gestrickt zu bemüht die Fäuste in der Luft sehen will) durchaus den Weg von To Be Everywhere is To be Nowhere fortsetzen – das Stadion bleibt immer in Sichtweite und stets verfügbare Mitsingparts quasi Pflichtprogramm.
Es gibt aber eben auch Szenen, in denen Palms diesen vertrauten Rahmen durch produktionsspezifische Facetten oder soundtechnische Akzente öffnet. Etwa, wenn der Opener Only Us mit dystophisch wabbernden Keyboardflächen pulsiert und auf eine dräuende Synthwave-Basis baut, die den dunkel grollenden Song in das angestammte Melodieverständnis der Band aufschwingt, episch und beschwörend einen wuchtigen Kraftakt gibt, der den Spagat zwischen wohlbekannten Trademarks und neuen Perspektiven schafft. Auch The Dark lauert in ähnlicher Veranlagung perkussiv abwartend über neondüster funkelnden Texturen, hat ein A City By the Light Divided[-Aroma und unorthodox gewichtete Präferenzen in der Inszenierung (wenn der Chorus entschleunigt aufmacht, aber dabei ohne Gitarren auszukommen versucht) – nur die letzten Sekunden wirken mit tatsächlich tausendköpfigem Fan-Chor vor akustischem Hintergrund den Spannungsbogen zu beliebig auflösend, weil sie auch nicht so intensiv unter die Haut gehen, wie wohl intendiert.
Das ätherisch gedrosselte My Soul hofiert dann mit digitalen Drums und Kontrabass einen latenten Blues-Vibe, während das tolle Blood on Blood mit seiner fast schon mathlastig-frickelnden Hibbeligkeit ein wenig aus dem Rahmen fällt – spätestens, wenn plötzlich eine Harfe in den Song schwebt und die Nummer kammermusikalisch träumt, sich bis zur Lagerfeuer-Session zurücknimmt und dann wieder aus dieser heraus katapultiert, leider ohne eine wirklich erschöpfend-entlohnende Katharsis zu provozieren.
Zwischen diesen Polen haben Thrice ein trotzdem in sich geschlossenes Werk geformt, dass sich ohne Übersong entlang einer qualitativ relativen Schwankungsbreite höchstens vorwerfen lassen muss, nie auf das Niveau der Alben vor der Pause nach 2011 zu kommen.
Dafür will etwa die Melodie im quirlig-verspielten Just Breathe mit seinem interessanten Rhythmus und bedächtigem Chorus, der auf beinahe wattiert-streichelnde Harmonie setzt, nicht konsequent genug zünden, bevor der Song hinten raus mit Emma Ruth Rundle ätherisch badet. A Branch in the River wiederum hofiert einen aggressiv schabenden Bass des immer wieder dominant aufzeigen dürfenden Eddie Breckenridge, der jedoch in einer archetypisch-hallenden Andacht aufgeht, die nicht den nötigen Biss hat, um nach dem herbeibeschworenen Dampf restlos zu packen.
Und das polarisierende Everything Belongs ist dann ohnedies ein Grenzgang, in dem Thrice sich über eine zarte Pianolinie und postrockig-flimmernden Gitarren mit dem Vorschlaghammer neben dem immer über/wohl-dosiert vorhandenen Pathos auch einem messianischen Kitsch öffnen, der immer heller in den Arenahimmer strahlen will – irgendwie meistert das Quartett zwar auch diese simpel gestrickte, beliebige Geschmacklosigkeit mit Klasse, indem sie kurerhand die stilistische Überhöhung den Mangel an Substanz überdecken lassen, doch bleibt ein ambivalenter Beigeschmack. Wenn die versöhnlich schwelgende Schönheit Beyond the Pines allerdings letzten Endes einfühlsam erblüht und ebenso etwaige Mainstream-Kollegen vorführt, wie der Closer auch die Perspektiven der Platte gerade rückt, ist klar, dass Thrice mit Palms das gefühlt bessere Comeback gelunden ist, das etwaigen verprellten Fans solide die Hand reicht (und zwischen den Punkten liegend vorsichtshalber dennoch die niedrigere Punkteanzahl bekommt) – und darüber hinaus in seinen besten Momente auch wieder ein bischen nach den Sternen greift.
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