Thrice – Horizons/East
Nach der generischen Enttäuschung To Be Everywhere Is to Be Nowhere und dem überzeugenderen Palms hat es die 2019er-EP Deeper Wells bereits unterstrichen: Thrice nähern sich wieder ihrer alten Stärke und legen mit Horizons/East (trotz einiger Schönheitsfehler) ihr stärksten Album seit der Reunion vor.
Die mittlerweile typisierte Tendenz, ihren Songs unbedingt ein Finale bereiten zu wollen, dass im Stadion zur Hymne greifen muss, legen Thrice auf ihrem mittlerweile elften Studioalben leider nicht ab. Selbst in den explizitester derart ausgerichtet bleibenden Nummern (etwa dem erst predigend-skandierenden Pathos-Standard The Dreamer oder dem auf einer Paranoid Android‘esken Grundlage fußenden, mit elektronischem Unterbau und wunderbarer Strophe auftrumpfenden Robot Soft Exorcism) wäre weniger zwar mehr gewesen, doch ist das grundlegende Niveau wieder auf einem weitaus höheren Level als zuletzt – catchier, emotionaler, unterhaltsamer, packender.
Wenn man so einem Summer Set Fire to the Rain etwas vorwerfen will, dann, dass die Bridge hier schöner als alles andere am Song und der abschließende Call-and-Response-Part als feine Idee keinen wirklichen Biss hat. Wohingegen das größte Problem eines Scavengers insofern ist, dass Thrice hier einen Hit mit erhebend-beschwörenden Refrain geschrieben haben, diesen aber dann doch zu ergiebig wiederholen und wiederholen und zur Vorsicht noch einmal bringen. Ebenfalls symptomatisch für den herrschenden Qualitätslevel: Übersättigen oder gar nerven will diese Repetition dennoch nicht unbedingt.
Ohne Ausfälle ist das kohärent aufzeigende, der Sonne folgende Konzeptwerk Horizon/East jedoch am tollsten, wenn es den Autopilot zusätzlich no0ch zugunsten kleiner Abweichungen aus dem Formelkatalog abstellt wird, den vorhersehbaren Höhepunkt auch (zumindest im Thrice-Kontext betrachtet) über etwas überraschender gepflasterte Wege erreicht.
The Color of the Sky wächst aus einem wabbernden Synth-Loop, dessen Zügel die Breckenridge-Brüder eng ziehen, die Riffs und großen Gesten mit Zug nach vorne immer wieder zum flächigen Teppich zurückkehren dürfen, Thrice jedoch gleich zum Einstieg eine entwaffnenden Ohrwurm von pastoraler Substanz zelebrieren. Buried in the Sun gibt sich vertrackter, rhythmisch umständlicher – oder eben wirklich mathematischer groovend. Das Quartett lauert in sich selbst harrend, spielt seinen Alternative Rock im weitesten Sinne als klatschende Reminiszenz an den Soul und Gospel, bevor Northern Lights das Lounge-Piano leicht jazzig angehaucht an proggige Muster heranführt.
Still Life zeigt viel Geduld, die ruhigen instrumental sinnierenden grandios am Postrock, mäandert zugunsten einer atmosphärischen Tiefe, deren pompöse Auflösung schade ist. Dandelion Wine macht seine Sache insofern besser, als dass es seine kontemplative Form erst in einer weniger verdaulichen Post Hardcore-Affinität explodieren lässt, und dahinter auch noch das klaviertröpfelnde, ätherische Outro Unitive/East mit seinem phasenverschoben Gesang stehen lassen kann: „Is there a you without me, the me with star swept eyes?/ Alive with fresh becomings- new grass beneath black skies“. singt ein (der Routine nicht immer entkommender, hier aber körperlos ergreifender) Dustin Kensrue, melancholisch sinnierend in Richtung des bereits angekündigten Schwesteralbums Horizons/West.
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