Thoughtcrimes – Tap Night

by on 1. April 2019 in EP

Thoughtcrimes – Tap Night

Schlagwerker Billy Rymer bringt die Party Smasher Inc.-Punktlandung Thoughtcrimes in eine noch optimalere Position als Erbverwalter der The Dillinger Escape Plan-Dynastie, als es Liam Wilson Ende vergangenen Jahres mit Azusa tat.

Mit Kevin Antreassian hat übriges ein anderer alter Kollege von Rymer Tap Night co-produziert (er kümmerte sich um die Drumspuren in den Backroom Studios, während Dorian Wolff alles andere in den Submarine Studio von Brooklyn erledigte und Kurt Ballou den finalen Mix besorgte) und damit aus erster Hand beobachten können, wie sich Thoughcrimes stilistisch zwischen den Stühlen positionieren, dabei aber einen praktisch zu jeder Sekunde extrem assoziativ verweisenden Fleischwolf angeworfen haben.
Der vorab ins Rennen geschickte Opener Artificer hat nämlich schon weitestgehend vorweggenommen, was einen auf der ersten EP erwartet. Das Quintett wechselt praktisch unmittelbar von chaotisch sprintenden Attacken zu stroboskopartig flimmernden Stakkato-Breitseiten bis hin zu harschen Death-Anleihen, von frickelnden Mathcore-Bremsungen zu melodischen Tendenzen mit mehr stimmungsvollem Raum in ruhigeren Gefilden, da reißt das Ruder vom infernalen Gebrüll bis zu keifenden Growlparts (ernsthaft: wie wieviel Sänger beschäftigt diese Band?) entlang genug Ideen, die anderen Kombos Material für drei Songs geliefert hätten.

Ähnlich funkensprühend-überbordend wären wohl die nächstgelegenen Referenzen mit dem vorhandenen Input umgegangen: Tap Night klingt in seinen aggressiven Austickern, als hätten The Dillinger Escape Plan seit der [amazon_link id=“B01JIO91J4″ target=“_blank“ ]Irony is a Dead Scene[/amazon_link]-EP mit Mike Patton in den frühen 2000ern eine alternative Abzweigung zu einem Gefecht zwischen Justin Pearsons weniger manischen Momenten und der Converge-infizierten Wut von Beecher genommen, addiert in den reißend verzerrten Szenen gar die zähnefletschende Tollwut früher Pig Destroyer, nur um in den zugänglicheren Passagen mit beinahe emo-theatralischen Harmonien und ansatzweiser Industrial-Ästhetik den Bogen von Glassjaw und AFI bis hin zu My Chemical Romance zu spannen.
Interessant ist dabei, dass dieser Spagat der Einflüsse zwar auch bedeutet, dass Tap Night keinen unverkennbar originären Sound für Thoughtcrimes installiert, wirklich herausragende Geistesblitze mit explizitem Erinnerungswert auf instrumentaler Seite noch fehlen, die Band aber trotzdem nicht als eklektisches Imitat aufgeht: Über den enormen Spielwitz zünden die 15 Minuten dieses ersten Appetithappens durchwegs packend und intensiv, die progressive Strukturen und immanente Unberechenbarkeit lassen rund um einige catchy zündende Peitschenhiebe keine Langeweile aufkommen, die EP steht unter einem erfrischend fiebrigen Strom.

Zudem bauen die folgenden Songs diese breite Wilderei auch noch gebührend aus. Soapbox Sermon groovt galoppierender, hat eine latent psychedelische Schlagseite mit Hall, Gitarrensolo und elegischem Gesang samt gespenstischen Chören, während Punk Rock Guilt seinen heavy Riffs die Dramatik beibringt, verzerrte Stimmeffekte zu The Mars Voltas Cassandra Gemini blicken lässt, bevor die lauernde Stellung als hirnwütige Dessert Rock-Assimilation aufplatzt.
Am interessantesten für die Wandelbarkeit und Variabilität von Thoughtcrimes könnte sich auf lange Sicht jedoch der Closer Lux and Row erweisen, der das Tempo nahezu vollends herausnimmt, die atmosphärische Tragfähigkeit über flächig texturierte Synthieflächen, Drone-Bratzen, hypnotische Drumspuren und nebulösen Klargesang forciert und als schwelgendes Sehnsuchtsstück geradezu versöhnlich in die Trance entlässt.
Auch hier emanzipiert sich die Band nicht restlos von ihren Vorbildern, zeigt aber, dass die dabei bediente Bandbreite elementarer Bestandteil einer eigenen Handschrift werden könnte. Gerade, weil sich Thoughtcrimes für die brutale Dynamik niemals gestelzt verrenken müssen. Wohin es die Herren Rick Pepa, Brian Sullivan, Russ Savarese, Cody Hosza und Billy Rymer zukünftig führen wird, bleibt insofern vorerst abzuwarten. Genug Material für das Debütalbum soll jedenfalls schon mehr oder minder eingespielt sein – die Vorfreude darauf ist nach dieser vor allem hungrig machenden (und bisher leider nur digital erschienenen) EP jedenfalls eklatant gestiegen: Da könnte großes auf den geneigten Math-Anhänger zukommen!

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