Thou – A Primer of Holy Words

von am 17. August 2020 in Compilation

Thou – A Primer of Holy Words

Alles schon mal veröffentlicht und in Wirklichkeit keinen restlosen Anspruch auf Vollständigkeit stellend: Thou versammeln nach der Konzentration ihrer Nirvana-Cover nun auf A Primer of Holy Words zumindest zwei Hände voll an sonstigen Fremdinterpretationen.

Wie schon bei Blessings of the Highest Order gibt es Unterschiede zwischen den Robotic Empire-Ausgabe von A Primer of Holy Words und der hauseigenen Bandcamp-Veröffentlichung. Was diesmal jedoch weniger der Preiszettel sowie die Anordnung der Trackliste und das (rechtlich bedingte) Vorhandensein von Samples meint, als den Neil Young-Aderlass von Don‘t Let It Bring You Down, den Thou abseits der Charity-Compilation Many Waters nun quasi exklusiv  auffahren.
Nicht nur über diese typischst im Thou-Patent-Sound aufgearbeitete Version lässt sich jedoch über zwei Ecken eine Verbindung zum Grunge stricken, den all die Nirvana-Songs im Repertoire der New Orleans-Naturgewalt bereits verehrten – auch Material der restlichen Vertreter der Big Four aus Seattle sitzt. Pearl Jams Adrenalinspritze Spin the Black Circle lehnt sich in den Händen von Thou noch weiter in Punk, das Alice in Chains-Stück No Excuses nahm praktisch Rhea Sylvia ein Stück weit vorweg und 4th of July addiert eine bluesige, dreckige Heavyness zum ursprünglichen Soundgarden-Gewicht und ist damit abseits der reinen Komfortzone der Referenzwert in dieser Amplitude des Spektrums, wie auch Gwarsenio Hall insgeheim wissen dürfte.

Der Rest von A Primer of Holy Words ist dann ein breit gefächertes Schaulaufen, was die Assimilationkunst von Thou angeht. Prayer to God (Shellac) gerät etwa besonders garstig und ruppig an der Feedback-Dissonanz aufgerieben, das Gitarren-verrückte Paroled In ’54 (Agents Of Oblivion) und Well Fed Fuck (Born Against) rühren eine Kompaktheit unter die Signatur und Screaming At A Wall (Minor Threat) tritt dann adäquat auf das Hardcore-Gaspedal – manchmal ist weniger die Nähe zu den Originalen der interessante Aspekt an den Versionen hier, als vielmehr die Distanz, die Bryan Funck und Co. zu diesen zurücklegen, ohne ihr Hoheitsgebiet tatsächlich verlassen zu müssen.
Die abschließende Stafette an Black Sabbath-Nummern ist diesbezüglich freilich eine weniger gewagte Ausrichtung, dafür aber eine perfekt sitzende Steilvorlage: Into the Void, das überragende Sweat Leaf, Black Sabbath sowie Lord of the World machen alles richtig.

Dass etwa Supernaut hier noch fehlt, lässt die Linernotes („This is a collection of all our non-Nirvana covers.“) auch nicht gänzlich korrekt erscheinen, doch machen die Zeilen in weiterer Folge auch den Mund wässrig: „There will likely be a second collection in the future, but we’ll add those tracks here.
Ob diese Fortsetzung noch vor der so lange angekündigten Split mit Emma Ruth Rundle passieren wird, ist auch deswegen eher nicht anzunehmen, weil Andy Gibbs freimütig zugibt, aktuell vollends Cover-übersättigt zu sein (vielleicht auch, weil man ihn der Wahrnehmung abseits der regulären Fanbase durchaus Gefahr läuft, als Band mit dem Gimmick eingestuft zu werden).
So oder so kann das Stammklientel mit einer etwaigen Wartezeit sicher gut leben. Weil A Primer of Holy Words als kompakte Songsammlung zwar stark funktioniert und allen Komplettisten sowie Sammlern zudem das Leben erleichtert, grundlegend aber nichts Neues zu bieten hat. Und weil Thou an sich bereits wieder an neuem eigenen Material schreiben.

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen