Thom Yorke – Suspiria (Music for the Luca Guadagnino Film)
Die beste Soundtrackarbeit eines Radiohead-Musikers wird am Ende des Jahres 2018 Dank Phantom Thread zwar von Veteran Jonny Greenwood stammen. Doch auch Thom Yorke beweist mit Suspiria (Music for the Luca Guadagnino Film) – nun eindrucksvoll seine überzeugenden Fähigkeiten am Score-Markt.
Und das trotz einer von vornherein für immense Fallhöhe sorgenden Ausgangslage. Immerhin berufen sich wohl mindestens ebenso viele Musiker auf die heute [amazon_link id=“B009F9FPM0″ target=“_blank“ ]ikonischen, damals stilprägenden instrumentalen Prog-Stücke[/amazon_link] von Goblin, mit der Dario Argento seinen [amazon_link id=“B075LJD4HN“ target=“_blank“ ]Klassiker von 1977[/amazon_link] untermalte.
Yorke ist nun natürlich schlau genug, um sich für seine Arbeiten am Remake von Regisseur Luca Guadagnino von den Vorgaben der italienischen Kultband zu entfernen, indem er über deren Fußstapfen einen unbehaglichen Vorhang aus klassisch-kammermusikalischen Anleihen, synthetischen Ambientstrukturen, krautiger Ritualität, Art Pop-Versatzstücken und neo(n)psychedelischer Elektronik hängt – also gar nicht erst Gefahr läuft, sich an obsolete Imitationen zu verlieren (aber dabei eben auch ein wenig riskiert, an der Erwartungshaltung ob stilistisch doch in der Nähe bleibender Momente der Radiohead’schen Diskografie oder eigener Soloplatten wie Tomorrow’s Modern Boxes zu scheitern).
Einerseits beschwört Yorke so Szenen, wie die verschwommenen Soundscapes von A Storm That Took Everything: Nebulös und ätherisch flimmert es hier verdächtig beklemmend, aber auf eine ähnlich farbintensive Art, wie es das Artwork suggeriert. Im melancholischen The Hooks beginnen sinistre Streicher um das dominierende Piano zu schwelgen, in launischer Boshaftigkeit über archetypisch atmenden Szenengeräuche. Das herausragend imaginative Klemperer Walks transportiert eine erhabene Traurigkeit in seinem intensiv-charakteristischen Motiv, während The Inevitable Pull den Drone praktiziert und Olga’s Destruction (Volk tape) Argwohn erregend auftritt, da Yorke das gruselige Piano neben der Spur klimpern, etwas Ungemütliches ohne Physis brodeln lässt.
In The Jumps wabbern die Synthies und blickt der Filmhandlung in die retrofuturistischen 80er vorneweg, das kristalline The Universe is Indifferent lässt modulierte Sequencer in die Arme eines atonal-aufgerauhten Jams laufen und A Choir of One klingt irgendwann während seiner 14 Minuten Spielzeit eher wie eine leidend-sedierte Geißelung der Liars durch das Spektrum von Blade Runner.
Anderseits wandert der 50 Jährige dann aber eben auch explizit in das Territorium seiner Stammband und hauseigenen Spielwiese, gerade in den Nummern, die mit Gesang veredelt wurden.
Dann sind Suspirium oder (das mit elegisch-hymnischen Arrangements aufwartende) Unmade hoffnungsvolle kleine Klavierballaden, skizzenhaft und versöhnlich wärmend, in denen Yorke sich bittersüß säuselnd durch die Zeitlupe träumt. Has Ended groovt dagegen über einem entspannten Rhythmus (aus der lockeren hand von Sohn Noah), breitet elektrifizierte Soundschleifen unwirklich wimmernden Stimmen aus. Yorke schwebt dort ebenso wohlig über der Psychedelik wie in Open Again, das über dem typischen – und damit symptomatisch für den gesamte Score vielleicht auch zu wenig charakteristisch auf den Film eingehend, zu sehr an den Wurzeln der eigenen Komfortzone erdachte – Gitarrengeplänkel mit entschleunigten Schellen im Rücken und rauchenden Feedback über dem Kopf zaubert.
The Balance of Things erinnert in seinem spröden Hang zur üppigen Kargheit gar vage an das, was Warren Ellis und Nick Cave im modernen Wilden Westen köcheln, bis Yorke wie ein Like Spinning Plates-Außerirdischer in den Krisha Tempel transzendiert. Suspirium Finale greift das Leitmotiv des Quasi-Telsongs auf, verpasst ihm durch das London Contemporary Orchestra aber einen hoffnungsvollern, tröstenden Ton (und wäre damit auch der ideale Schlußpunkt einer danach ziellos die Geräusche auffahrenden Platte).
Man ahnt wie aus diesen verschwommenen Ideen auch Songs wachsen hätten können, die ausformuliert auch auf A Moon Shaped Pool hätten folgen.
Wahlweise wirken diese (übrigens nichtsdestotrotz – oder gerade deswegen – wunderbar im Ganzen zusammenfliesenden) Songannäherungen dann deswegen allerdings auch wie Material, dass im Kontext von Yorkes Stammband keinen Platz zu reifen fand, und gerade über die volle Spielzeit von (zu langen) 81 Minuten den Eindruck verschärft, dass Suspiria zu mäandern neigt, bewusst keinen Fokus erzwingt.
So entsteht ein Score, der sich auch vor im Horror-Genre gängigen Klisches (wie etwa der verführerische-sakraler Chor der schwarzen Messe Sabbath Incantation) und quasi gängige Routinemustern (beispielsweise das stimmungsvolle, aber kaum originäre und letztendlich auch austauschbar wirkende A Light Green) nicht immer gefeilt ist, gerade in diesen Momenten auch nicht eine solch unverkennbare und/oder unkonventionelle Handschrift entwickelt, wie Kumpel Greenwood, Trent Reznor, Johnny Jewel, Max Richter oder zuletzt auch das Duo Natasha Khan und Dominik Scherrer sie ihren Soundtrackarbeiten angedeihen lassen.
Versinkt man ein und andere Mal in den Welten von Suspiria, verkommen diese relativen Kleinigkeiten tatsächlcih zu theoretischen Nebensächlichkeiten, die praktisch ignorierbar sind. Yorkes Konstruktionen funktionieren schließlich fesselnd, einnehmend und beunruhigen auf eine versöhnliche Art – auch für sich alleine stehend, ohne visuellen Background. Nicht nur in Anbetracht der vom Goblin-Original vorgegeben, gekonnt ignorierten Messlatte ist Suspiria deswegen ein gelungener Einstand für den keineswegs als Novizen auftretenden Filmmusik-Komponisten Yorke.
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