These New Puritans – Inside the Rose
Die Geschichte von These New Puritans bleibt in ständiger Bewegung, personell und (trotz stilistischer Unverkennbarkeit) auch in Form und Inhalt. Dennoch wirkt es, als würden die Briten mit Inside the Rose zu einer inneren Ruhe gefunden haben.
Die auf zackige Rhythmusausbrüche und artifizielle Dynamiken fixierte Band ist mittlerweile in Form der Barnett-Zwillinge Jack und George auf das seit jeher tonangebende elementare Kernduo geschrumpft. Geradezu symptomatisch dafür haben These New Puritans für ihr viertes Studioalbum auch das allgemeine Tempo aus dem Prozess herausgenommen, den nirgendwo zwischen komplexen Chamber Pop, pittoresken Artrock und schwelgenden Darkwave wandelnden Sound aufgeräumt: Die Referenzen haben sich noch näher zu Talk Talk aus der Perspektive von This Mortal Coil und experimentellen Depeche Mode verschoben, die Gefühlswelt auf einen engeren Radius herabgebrochen, beinahe familiär eben. These New Puritans sind auf Inside the Rose damit auch nahbarer und verletzlicher geworden, bewahren aber weiterhin eine gewisse Distanz – wie ein Zauberstück, das seine Illusion nicht in letzter Konsequenz auflösen will. Die neue Intimität, sie kommt immer noch ohne Gebrauchsanleitung für die emotionale Rezeption der Band.
Zwar zieht Inside the Rose phasenweise die Amplituden auch in dieser Veranlagung durchaus an: Beyond Black Suns klingt wie eine Erinnerung an nonexistente Kinderlieder der 80er, löst sich in choralen Gesängen unter den Eindrücken von Scintii auf und wird von einem Piano in die Nacht getragen, knüpft gleichzeitig aber den Bogen zu [amazon_link id=“B002Y2BTYS“ target=“_blank“ ]Hidden [/amazon_link]während auch das hibbelig dröhnende Into the Fire mit seinen schwurbelnden Keyboardwummern und stachelnden Spitzen als Reminiszenz an das Zweitwerk der Engländer funktioniert.
Selbst diese Szenen wollen jedoch kein restloses Momentum erzwingen, sondern viel eher hinterrücks packen. Weswegen Inside the Rose anfangs ernüchternd unspektakulär wirken, auf den ersten Blick auch alleine deswegen ein unbefriedigende(re)s Element (als die direkten Vorgängeralben) transportieren, weil das Werk hinten raus weniger kompositorisches Gewicht und Tragfähigkeit praktiziert: Lost Angel ist kaum mehr, als ein minimalistisch skizziertes Score-Interlude von 75 Sekunden und der Closer Six kurz darauf eher ein unverfänglich verglühender Epilog in der Schnittmenge aus Sigur Ròs und Jessica Curry, der stimmungsvoll, aber doch zu eindruckslos und lethargisch zum Selbstzweck säuselt.
Und ja, gerade in Phasen wie diesen kann man der Band darüber hinaus auch vorwerfen, dass sie durch den Schritt zu mehr Introspektion ihre Ambition seit dem 2013er Meisterstück Field of Reeds vordergründig zurückgefahren haben.
Umgekehrt proportional bedeutet der Blick nach Innen aber mit jedem wachsenden Durchgang auch die schlüssige Transformation eines neuen Evolutionsprozesses für These New Puritans. Inside the Rose ist ein wunderbar atmosphärisch fließendes, fast schon esoterisch in den Ambient dräuendes Werk geworden, in sich geschlossen und homogen formwandelnd. Sänger Jack Barnett fungiert dafür mit seiner weicher in Szene gesetzten Stimme mehr denn je als Teil des unheimlich reichhaltigen (aber niemals übersättigendehn) Instrumentariums, das über vertrackte Beats und flächige Synthies so rund und leise, unprätentiös und meditativ werkelt, Zeit verlangt und Räume nützt. Akribisch konstruiert, allerdings instinktiv träumend. Inside the Rose ist in seiner tiefenwirksamen Fülle schlichtweg wunderbar arrangiert, fabelhaft nuanciert und meisterhaft transzendental von Graham Sutton produziert, was der Band erlaubt, impressionistisch nie wirklich auf den Punkt kommen zu müssen, ohne deswegen aber verloren zu wirken. Es entsteht eine einladende und anschmiegsame Düsternis, eine avantgardistische Verneigung in softer Melancholie, subtil und subversiv mit einigen der einnehmendsten Augenblicken der These New Puritan‘schen Karriere.
In Infinity Vibraphones addieren dramatische Streicher und ein unheilvolles Klavierspiel beklemmende Subbässe und ein strenges Schlagzeug, doch behält sich der Opener eine sehnsüchtige Unwirklichkeit bei, schwebt spätestens bei den weiblichen Gastvocals in Sphären der niemals greifbaren Schönheit, strukturftei und ohne harte Konturen. Anti-Gravity folgt den gefinkelten Drums in ein tranceartig anachronistischen Flair und der Titeltrack assimiliert gar mit einer abgedämpft pulsierend Dringlichkeit den Dubstep von Burial in den neoklassisizistischen Ansatz der Band: Grandios!
Noch besser ist da nur das überragende Where the Trees Are On Fire, das Herzstück der Platte: Eine majestätisch wogende Melodie erhebt sich da immer weiter aus der balladesk schlummernden Grandezza, verselbstständigt sich später im aufbrechenden Umschaltspiel mit einem organisch einsetzenden Antrieb, vergleichsweise energisch, will aber auch als ausgewiesener Höhepunkt und Climax der Platte im Einklang mit dem restlichen Gefüge keine Katharsis anbieten. Ähnlich herausragende aus dem kohärenten Ganzen ist A-R-P, das den wärmendem Hoffnungsschimmer in der kalten Dystopie sucht und ihn letztendlich in einem verführerischen Spannungsfeld findet das irgendwo zwischen Toby Drivers jüngsten Kayo Dot Alben Coffins on Io (2014) und Plastic House on Base of Sky (2016) sowie Radioheads A Moon Shaped Pool (2016) rangiert. Große Referenzen, an denen sich These New Puritans mit kleineren Gesten nicht verheben: Näher bei sich selbst, als auf diesem ungezwungen suchenden Atemholen, waren die Barnett-Brüder vielleicht noch nie.
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