Therapy? [06.11.2012 PPC, Graz]

von am 7. November 2012 in Featured, Reviews

Therapy? [06.11.2012 PPC, Graz]

Das PPC umfunktioniert als Zeitmaschine: zurück in ein Jahrzehnt, als Therapy? kurz vor der Weltherrschaft standen und ‚Troublegum‚ der heißeste Scheiß überhaupt war. Im Jetzt goutiert man umso zufriedener, dass das drumherum seit den 90ern mit den Evergreens durchaus standhalten kann.

Mit ‚Living in the Shadow of the Terrible Thing‚ legen Therapy? mit dem Opener des wiedereinmal rundum souverän ausgefallenen aktuellen, dreizehnten Studioalbums ‚A Brief Crack of Light‚ los: euphorisch, druckvoll, intensiv und trotz des verhältnismäßig schlecht besuchten (<150 Besucher?) PPC wahnsinnig gut gelaunt, rockiges Posengewerfe inklusive. Natürlich – ist der wie alle Bandmitglieder im feinen Zwirn schwitzende Andy Cairns doch nach wie vor ein charismatischer Frontmann vor dem Herrn, launig in seinem bisweilen nachtschwarzen Humor, der ihm allzeit aus den diabolischen Augen lacht und im schiefen aber wacker vorgetragenen Deutsch mitschwingt, während der stets den Sound mit fantastischem Groove zusammenhaltende Springteufel Michael McKeegan den kongenialen Sidekick in der Achse aus Rock-, Metal- und Punkmotiven gibt. Der auch bald sein zehnjähriges Bandjubiläum feiernde, furios untermauernde Schlagzeuger Neil Cooper und die Interaktion eines archetypisch aussehenden irischen Roadie/Zweitgitarrist/Techniker treten da zwangsläufig in die zweite Reihe.

Eben dort musiziert auch das anachronistische Grazer Schlagzeug/Gitarre Tandem Lobster mit seinem knietief um mit kurzen Hosen auftretenden 90er Jahre Nu-Metal: tight und kraftvoll zwar, aber auch altbacken, stumpf und mit seinen Backing-Geshoute auch irgendwo verdammt prolliger Dicke-Hose Rock. Tatsächlich aber ein solider Anheizer für die ebenfalls wenig feingliedrig auftretenden Therapy?, die ihren Ruf als Live-Macht wieder einmal mühelos unterstreichen. Dass erst mit dem gefeierten und lange einverleibten Hüsker Dü-Cover ‚Diane‚ zum Setende die schaumgebremste Stimmung im Publikum restlos aufzukochen beginnt, ist da kein Beinbruch, auch, weil das mitreißende Zugabenprogramm (u.a. ‚Nowhere‚, ‚Screamager‚) nahtlos den Intensitätslevel hält und sogar noch steigern kann und die Abendplanung eben auch als Zeitreise über den Therapy?-Horizont hinaus funktioniert.

Wenn sich ein ‚Hey Hey, My My (Into The Black)‚-, ein ‚Breaking The Law‚-, ‚Isolation‚ oder ‚Gloria‚-Ausflug ebenso wie ganze Misfits-Cover (‚Where Eagles Dare‚) oder Gedicht-Zwischenspiele in eine verhältnismäßig ausgewogene Setlist schummeln, Cairns Songs gerne Schwarzenegger widmen würde (es aber nicht tut; bei ‚Die Laughing‚) oder an Beziehungen richtet, dann transportiert das den ungebremsten Spielwitz von Therapy? eben nur allzu knackig mit unheimlicher Freude an der eigenen Berufung als Vollblutmusiker. Dass die eigentliche Hochphase der Band im Grunde genommen bereits einige Jahre(/Jahrzehnte) zurückliegt, ist deswegen nicht nur dem irischen Trio sichtlich und zurecht vollends egal, sondern auch dem treuen Fan. Die Erkenntnis, dass neue Songs wie das wahnsinnige ‚The Buzzing‚ sich dazu ohne Scheu an alte, sich der Abnutzung entziehende Klassiker der Marke ‚Teethgrinder‚ schmiegen, die bekommt man nämlich ohnedies nirgends so untrüglich serviert, wie wenn die jung gebliebene Institution Therapy? sie so brachial von der Bühne schmettert.

Live-Mitschnitte auf dem YouTube-Channel von ElJuergencito.

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