Theophonos – Ashes in the Huron River

by on 17. Februar 2024 in Album

Theophonos – Ashes in the Huron River

Theophonos gönnt sich mittlerweile nicht nur ein Profilbild, nein, er hat mit Ashes in the Huron River auch das Album aufgenommen, dass die Versprechen von Nightmare Visions einlöst und die Abnabelung von der Entität als Serpent Column rechtfertigt.

In zehn weitestgehend nahtlos ineinander fließenden Songs macht James Hamzey praktisch vieles sehr ähnlich, aber nahezu alles nochmal eine Stufe besser, als auf seinem Debütalbum unter dem Theophonos-Banner im vergangenen Jahr, das sich nun, im Rückblick, erst recht wie eine Art Aufwärmübung anfühlt.
Zwar stellt Ashes in the Huron River den mit Serpent Column patentierten, dissonant-aggressiven, zornig-misanthropischen Wahnsinn an der Schnittstelle aus Black Metal und Mathcore genau genommen nie ab, lenkt das (primär in der Eingangsphase der Platte dominierende) Chaos in einer dynamischen Dosierung jedoch letztendlich zu einer erstaunlichen Griffigkeit, einem phasenweise gerade simplizistischen Primitivismus – gerade in der zweiten Hälfte dieses Zweitwerks.

Nachdem im Titelstück klar perlende Gitarren eine irgendwo verträumte schunkelnde Melodik in der Schwärze erzeugen, stürzt sich Theophonos dort mit vergleichsweise schweinerockigen Zügen in einen Mahlstrom jenseits von Kvelertak. Zwar auch, um Empty Gardens umso reißender zu reizen, doch wenn man je Interesse daran gehabt haben mag, wie die Musik des Amerikaners auf knackige Autobahnen zugeschnitten klingen könnte, gibt das breitbeinig die Nackenmuskulatur nicken lassende Still You Haunt Me wohl eine Antwort darauf, bevor As Long as Forever erst der Jacqueline-Moment der Platte ist, dann aber doch lieber einem Motiv mit jammender Repetition als Abspann zu einem akustischen Red-Herring-Twist folgt.
Named in honor of the local woods and riverlands that continue to inspire the studio project.“ erklärt Theophonos den Titel der Platte dabei und dolt zu den Hintergründen weiter aus: „This record is an account of a life spent in the rotten heartlands of neoliberal capitalism and a tribute to the vibrant underground music cultures that thrived before the second half of the last decade.
Genauer: „Primary musical influences include Death Grips’ “Jenny Death” (which the record homages in its gradient-like structure, its centerpiece “Still You Haunt Me” even acting as a reimagined “On GP”), the downtuned hyperaggressions of Morbid Angel’s “Gateways to Annihilation”, and the cinematic, raw intimacies of Pelican’s “The Fire in Our Throats Will Beckon the Thaw.” – was man so übrigens nur teilweise nachvollziehbar aus den kurzweiligen 40 Minuten des Albums heraushören können dürfte.

Andere Selbst-Analysen klingen dagegen schlüssiger: „Expanding on the directness of “Nightmare Visions”, “Ashes” is grander in scope, and is internally regarded as a more focused analogue to 2019’s “Mirror in Darkness”. Hafsteinn Viðar Ársælsson’s dark and intricate illustrations once again accompany the music with striking depictions of abandoned landscapes, arranged to evoke a sense of catastrophe and unwilling transformation.
Denn tatsächlich nimmt Ashes in the Huron River die Fäden in dieser Hinsicht auf und spinnt sie eben nicht nur zu neuen Ansatzpunkten jenseits von Serpent Column weiter, sondern verdichtet sie auch im hauseigenen Hoheitsgebiet und liefert dabei einige der stärksten Szenen mittels der typischen, technisch so virtuosen (und einmal mehr von der kongenialen Maya Chun unterstützten) Signaturen Hamzeys.

Der Sound der asketischen Produktion ist roh und harsch, keift von The Built World weg geifernd mit einer Lo-Fi-Ästhetik und wechselt zwischen dem dreschend galoppierenden Gaspedal sowie einer seine eigene Geschwindigkeit torpedierender Vertracktheit, schleudert bösartige Riffs wie ein versiffter Derwisch von Dämon in Black’n’Roll-Kluft. In No Reprieve gönnt sich die psychotische Hektik ein Finale mit beschwörenderem Anstieg, das in einem asketischem Metalcore-Stoizismus mündet, und Willing Power verschiebt sein Thema, bis die Gitarre zum zerschossenen Solo ausbricht, sich jedes Element in präziser Methodik wie hirnwütig selbst überholen zu wollen scheint und irgendwann die straighter Ausrichtung in fiebriger Trance entschleunigt groovt. Grid of Sorrows zeigt gar ein superbes drittes Drittel mit einer Gitarre, die wie die hässliche Fratze einer Surf-Kombo in das weiße Rauschen ätzt und An Elegy rotiert um eine improvisiert agierende Basis, schickt das Schlagzeug auf Expeditionen und attackiert letztendlich als verzweifelter Sturm-und-Drang-Extase.
Der Eindruck, dass Theophonos dabei in dieser Erscheinungsform an seine Grenzen gelangt, entsteht selbst in derart überragenden Momenten nicht unbedingt, auch bleibt der Zenit von Serpent Column vorerst unerreicht. Die Einschätzung, dass Hamzey etwaiges Optimierungspotential für seine gar nicht mehr aktuelle, neue Spielwiese spätestens hier nach – einer gefühlten Initialzündung! – noch abrufen wird, ist aber praktisch unabdingbar.

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