The Vaccines – Come of Age
Vor nicht einmal achtzehn Monaten haben The Vaccines bewiesen, dass sie eine talentierte Band mit dem Händchen für knackige Rockohrwürmer aller Colloeur sind. Nun zeigen sie, dass sie außerdem eine aalglatte Combo mit offenkundigem Langzeitplan sein können.
Wenn ‚Come of Age‚ in seiner an den Traditionen des Herkunftslandes geschulten musikalischen Sozialisierung tatsächlich darauf ausgelegt ist, auf eine höhere Halbwertszeit als der hitgespickte Vorgänger zu kommen, täuscht er dies mit geschickt an zahlreiche Vorbilder angelehnte Reminiszenzen nur an. Gar solche Kaliber wie ‚What Did You Expect From The Vaccines? ‚es hatte werden auf dem Zweitwerk der Londoner nun auch nicht ganz aufgefahren, weit darunter und abseits vom potentiellen Singlekandidaten machen es die vier Londoner aber dennoch und ohnedies nie, auch wenn sich die eröffnende Vorabsingles ‚No Hope‚ noch etwas bemüht durch das Fahrwasser der jugendlichen Unbekümmertheit rockt, welche The Vaccines auf ihrem Forsetzungsstück hier nun weitestgehend abstreifen. Die vier Minuten funktionieren nun im Albumkontext aber weitaus stimmiger und schmissiger als in Solomission, weil The Vaccines eben in nicht einmal zwei Jahren ihren Wachstumsprozess bereits soweit vorangetrieben haben, dass ‚Come of Age‚ nun tatsächlich eine klassisch routinierte Platte im Rahmen des Vorgängers geworden ist, allerorts Konventionen zu den eigenen Spielregeln eingeht und in seinen besten Momenten schlicht zeitlos gefälligen, aber auch gefahrlos kalkulierten Britrock absondert.
Dass das doch mitunter besser funktioniert, als es sich anhört, das liegt zum Großteil immer noch am charismatischen Organ von Sänger Justin Young, der seine Melodiefolgen nonchalant unterkühlt um den kleinen Finger wickelt, seiner Band stets den kürzesten Weg zum Ohrwurm diktiert, aufgeregt aber ohne in Hysterie zu verfallen – Popmusik im dunklen Rockgewand ist das, mit drückenden Schlagzeugbeats und tiefen Bassgurgeln, irgendwo zwischen Interpol und Blur, auf den Boden starrenden Surfpop und allgemeingültig gestylten Indierock vor unbekümmerten Sommertagen, die sich dem Abend zuneigen. Weil eben alles beim alten geblieben ist, nur die Kanten nach spätestens dem zweiten Durchgang noch sichtbarer abgeschliffen wurden und man aus Vorbildern der Szene längst kein Geheimnis mehr macht, die Band tatsächlich so etwas wie „erwachsen“ (oder leicht ausrechenbar) geworden ist, ohne deswegen allerdings in Altersstarre verfallen zu müssen. So flirtet ein ‚Teenage Icon‚ noch immer versiert mit der knackigen Punkseite der Band anhand eines wavelastigen Twangs, will die Fankehlen vor der Bühne ausgelassen schwingen und die dazu passenden Beine tanzen sehen, The Vaccines sind trotz allem immer noch und unkarschierter denn je eine Band, die gute Laune provoziert und die Ohrwürmer nur so aus den Ärmeln schüttelt.
Egal, ob das in getriebener Westernstimmung der potentiell größte Murder by Death Hit sein könnte (‚I Always Knew‚) oder gutmütig am Erbe von Oasis vorbeistampft (‚All in Vein‚), ob man mafiagelernte Revuenummern vorm inneren Auge zum bösen Beat vorbeiziehen sieht (‚Ghost Town‚), The Rakes den praktisch selben Song bereits als ‚We Are All Animals‚ schon besser veröffentlicht haben (‚Bad Mood‚) oder man sich ohnedies nur uninspiriert beim eigenen Debüt bedient (‚Change of Heart Pt. 2′) – immer geht das nach kurzer Begrüßung sofort ins Ohr, führt auf die Tanzfläche und lässt nur dort vergessen, dass im Grunde jeder einzelne Song auf ‚Come of Age‚ zu lang geraten ist und so selbst innerhalb seiner kurzen Grenzen ermüdend wirken kann. Das fällt bei den beliebigsten Momenten wie der Blur-Verneigung ‚Aftershave Ocean‚ relativ schwer ins Gewicht, ist hingegen bei melancholisch zurückgeschraubten Nummern wie dem bedächtigen Beziehungsabgesang ‚Weirdo‚ (womit sich The Vaccines gar einen ambitioniert danebengehenden Aufguss von ‚Wetsuit‚ gönnen) oder dem hymnischen, abrupt und ungesättigt zurücklassenden ‚Lonely World‚ kein Beinbruch. ‚Come of Age‚ ist damit im Gesamten – vielleicht auch erschreckenderweise – selbst im direkten Vergleich zu ‚What Did You Expect From The Vaccines?‚ ein risikoloses Unterfangen geworden, dass die Frage vom Vorgänger auf Sicht beantworten könnte: kurzatmige Konsenshits für den Indierock am laufenden Band, denen Tiefgang und langanhaltende Substanz eventuell ohnedies nicht gut bekommen würden.
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