The Vaccines – Back in Love City

von am 19. September 2021 in Album

The Vaccines – Back in Love City

Drei Jahre nach Combat Sports veröffentlichen The Vaccines ihr durch Covid länger als gedacht hinausgezögertes fünftes Studioalbum Back in Love City – ein eskapistisches Konzeptwerk über eine utopische, Gefühle als revitalisierende Währung Stadt nach dem Vorbild von Los Angeles und Co.

Das ist dann weniger kompliziert, als es ohnedies nicht klingt. Vielmehr haben Justin Hayward-Young und seine Gang, die seit ihrem eigentlich viel zu spät für die Indieblase der frühen 00er kommenden Debüt What Did You Expect From the Vaccines eine erstaunlich anstandslose und unversiegende Riege an Instant-Ohrwürmern vorgelegt haben, den Grad der Zugänglichkeit und Eingängigkeit diesmal noch einmal drastisch nach oben geschraubt: Back to Love City will direkte Hits und reiht die potentiellen Singles mit einer keinen Hehl aus der Agende machenden Offensichtlichkeit aneinander, motiviert jeden Refrain zu einer euphorisch aufzeigenden Catchiness, zeigt eine unmittelbar infektiöse Tanzbarkeit und wird vor allem live sicherlich auf eine so simple wie effektive Art und Weise Spaß machen.
Einzig: Dadurch, dass sich jede Nummer hier stets für eine oberflächliche Griffigkeit ohne Reibungsfläche entscheidet, Fryars und Daniel Ledinsky zudem alles bis zur glatten, unorganischen Überproduktion aufgeblasen haben, wirkt Back to Love City schon beim ersten Durchgang eindimensional und übersättigend. Die ermüdend formelhaft konzipierten und schablonenhaft um das eine oder andere nostalgische Déjà-vu strukturierten Kompositionen bieten einfach nichts zu entdecken und nur wenig, um emotional in die Nonchalance zu investieren.

Es hat also eine (selbst für eine aus ihren Stärken und Schwächen nie ein Mysterium machenden Vaccines) seichte Penetranz, wenn sich der eröffnende Titelsong einen pumpenden 80er-Disco-Schimmer a la ELO gönnt, dabei ästhetisch aber auch vor dem Fernsehgarten nicht zurückschreckt und damit exemplarisch für die Wirkungsweise der Platte steht. Ein wenig mehr Subtilität und weniger stromlinienförmige Durchsichtigkeit wäre Back in Love City insofern gut gestanden, zumal dies weder dem Abonnement auf absolut catchy Hooks geschadet, noch die immer wieder neue Ausrichtungen des Indie Rock und Power Pop beeinträchtigt hätte, der hier so viele hartnäckige Singalongs in den Gehörgängen verankert.
Es ist nämlich schon ziemlich unterhaltsam und kurzweilig, wenn etwa Alone Star shakende Bläser und Rockabilly-Surf-Elemente implementiert und Headphones Baby seine stampfenden Slogans zur harmlosen Aufopferung ummünzt und wirklich jeder sofort mitsingen kann. Wenn Wanderlust mit knarzenden Gitarren massiv auf den Dancefloor presst und ein bisschen Tex-Mex-Mystik in der Bridge anbietet, das treibend galoppierende Paranormal Romance mit einem für die Band typischen Spaghetti Western-Flair liebäugelt oder das fetzige Peoples‘ Republic of Desire sich nur auf seine Schmissigkeit konzentriert und Savage stumpf wie die Fratellis poltert, nur eben charismatischer.

Es sind allerdings auch stets Szenen einer arg überschaubaren Halbwertszeit, deren Reiz mit dem Vorschlaghammer serviert wenig Nachhaltigkeit beweist.
Trotzdem:  Selbst in einer relativen Schwächephase (nachdem Jump Off the Top erfolgreich Richtung Debüt sprintet kommen XCT und der zurückgelehnte Retro-Schick von Bandit nicht über den zielstrebigen Standard hinaus) läuft Back in Love City keineswegs Gefahr, seine catchy Trittsicherheit zu verlieren, dafür ist der zweckmäßige Zug in seiner simplen Haltung einfach zu prägnant.
Dass jedoch auch die wenigen das Tempo zügelnden, emotional einnehmender Passagen (die atmosphärischer gezupfte, mit Handclaps weich verträumte Atempause El Paso, aber auch die authentisch anbiedernde Sehnsucht Heart Land, die mäandernd schmeichelnd zu Razorlight eiert, sowie die versöhnlich schunkelnde Walzer-Bagatelle Pink Water Pistols) trotz plakativer, aber phasenweise nicht restlos unsmarter Texte kaum etwas in die Waagschale werfen, was dem Hörer eine Investition auf Gefühlsebene abringt, ist da schon bezeichnender – und untergräbt ein bisschen das Konzept einer Platte, mit der man dann zumindest aufgrund der Hitdichte wirklich (kurz) aus dem Alltag fliehen kann.

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