The Used – The Canyon
Zu Beginn der eröffnenden Widmung For You kommen dem nachdenklich sinnierenden Bert McCracken theatralisch die Tränen. Danach entfaltet sich die Traueraufabeitung The Canyon als bisher ambitioniertestes Album von The Used zwar weniger demonstrativ pathetisch, erschöpft letztens Endes aber mit einer adäquat unnötig ermüdenden Ausführlichkeit.
The Canyon ist ein Kraftakt. In erster Linie für The Used selbst natürlich, weil McCracken das siebente Studioalbum der ehemaligen Emo-Senkrechtstarter als betont schmerzhaftes Ventil nutzt, um den Tod eines engen Freundes zu verarbeiten und seine Band unter der Regie von Produzent Ross Robinson dafür zu einem kreativen Rundumschlag ausholen lässt, der über ausführliche 17 Songs betont mehr will, als es die lahmen Selbstverwalter-Rohrkrepierer Artwork, Vulnerable und Imaginary Enemy neben der erschreckend dünnen Live-Platte Live & Acoustic at the Palace taten.
Das beginnt eben bei der filigran gemeinten Acoustic-Ballade For You (die vor ihrem seltsamen Hall-Hintergrund zwar eher schmalzig als intim ausgefallen ist), rockt im straighten Rise Up Lights (das als eine von nur zwei Nummer in unter vier Minuten ins Ziel findet) nach vorne, visiert im monotonen Cold War Telescreen ohne Kompromisslosigkeit den Noiserock an, würde Vertigo Cave wohl gerne in den Metal kicken, während Pretty Picture erst von den allgegenwärtigen Ideen Gitarren-Neuzugang Justin Shekoski (Ex-Saosin) profitiert, bevor sich der Track in beliebige „Ohohooo„-Passagen verliebt und das feine Upper Falls mit zurückgelehnter Unaufgeregtheit flirtet, letztendlich aber nicht der unnötigen Opulenz samt irritierendem Soul-Missverständnis absagen kann.
Im logischen Umkehrschluss bedeutet dies über die auslaugende Länge von knapp 80 Minuten jedoch gerade auch für den Hörer und Fan ein enormes Arbeitspensum, das sich (wie so oft bei derartig elaborierten Spielzeiten) keineswegs restlos rentiert, auf Gefühlsebene kaum entlohnt. Weil nicht nur einzelne Songs wie Broken Windows (das als okayer Poppunk einfach nicht auf den Punkt kommt), die gefällige Streicher-Sülze von Moon-Dream, der bocköde Pseudo-Exzess The Nexus mit Singalong-Appendix, das belanglose About You (No Songs Left to Sing) oder der emotional startende, jedoch leider immer penetranter werdende Alternative Rock von Funeral Post angesichts ihrer Grundsubstanz überhöht agieren, sondern ein bisschen arg viel mehr Selektion und zuspitzende Effektivität The Canyon ganz allgemein ein pointierteres Auftreten verliehen hätte.
Quantität steht da vor Qualität, Masse vor Klasse. Songs wie das schwungvolle The Divine Absence (This Is Water) gehen gut ins Ohr, aber auch ebenso leicht wieder hinaus; das versöhnliche The Mouth of the Canyon streichelt die Gehörgänge beschwörend crooned, ohne aufzuwühlen. Unbedingte Widerhaken und Kanten bieten selbst Einfälle wie das Spoken Word-Intro im energisch-lauernd riffenden Selfies In Aleppo oder der geschmacklose Rap-Part in The Quiet War nicht.
Letztendlich ist es auch dieses zu schwammige Profil, das dem potentiell stärksten The Used-Album seit dem bis heute rundum überzeugenden Debüt unnötig viel Kraft kostet und MacCracken und seine Bande enervierend zwischen vielversprechenden Songwriting-Ansätzen und zuviel Leerlauf plätschern lässt. Was sich übrigens locker vermeiden hätte lassen können, hätte Robinson die Band öfter zu simpleren und kompakteren Aktionen überredet, Straffungen forciert und Einfälle destilliert, anstatt für die zu langen Songs einer zu langen Tracklist auf phasenweise fragwürdige Produktionsentscheidungen rund um verwaschene Akzente und falsch platzierten Druck zu setzen.
Symptomatisch, denn grundsätzlich streckt sich das unausgegorene The Canyon übermütiger, als The Used ihre Ambitionen zu stemmen fähig wären: Das Quartett verzettelt sich zwischen all den anvisierten Genre-Optionen und verliert das theoretisch vorhandene Potential der über Gebühr gestreckten Kompositionen immer wieder in so halbgaren wie überladen inszenierten Ergüssen, die sich in ihren Zielen im Kern weniger restlos konsequent verschreiben, als dass sie mit generischer Ungefährlichkeit strukturell repetitiv erschöpfen.
Sicher wirkt The Canyon ungeachtet all des vorhandenen Optimierungspotentials nichtsdestotrotz erfrischender und auch hungriger als seine direkten Vorgängerplatten, wird auch alleine schon durch das einfallsreiche Akzente setzende Spiel von Shekoski enorm bereichert, funktioniert aber trotz der im Ansatz wieder etwas nachhaltiger gewordenen Kompositionen genau genommen weniger entschlossen – markant hängen bleibt trotz der enervierend hohen Anzahl der wiedergekauten Passagen schließlich abermals zu wenig (siehe etwas das zwingende Moving the Mountain (Odysseus Surrenders) oder die catchy Single Over and Over Again mit ihrer progressiv gemeinten Bridge), ein gewisser Durchzug ist in diesem Übermaß an der Grenze zur Langweile schlichtweg unvermeidbar.
Was zwar in Summe eher unbefriedigend, als tatsächlich frustrierend anmutet, und damit bereits eine grundsätzliche Korrektur der Formkurve einleitet, das um den heißen Brei schwadronierende Geplänkel The Canyon aber eben auch deutlich unter seinem eigentlichen Wert verkauft.
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