The Twilight Sad – No One Can Ever Know
Die Songs bleiben ausladend, The Twilight Sad kreisen immer noch in anderen Sphären der Melancholie. Und doch krempelt das dritte Album der Schotten den Soundkosmos der Band vollends um. Was früher Gitarren waren, sind nun analoge Synthies.
Kein Shoegaze an der Grenze zum Postrock mehr. Zumindest nicht, wie das auf ‚Fourteen Autumns & Fifteen Winters‚ und ‚Forget the Night Ahead‚ so anmutig zelebriert wurde. Anmutig ist das dritte Studioalbum zwar ebenfalls. Nur unterkühlter, karger und soviel weniger organisch. In seiner klaustrophobischen Dichte beinahe trostlos. Anstelle der wandernden Gitarren spielen nun tote Analogsynthesizer und Keyboards. Die Wall of Sound vergangener Werke ist einem verstörenden Klangmoloch gewichen, der sich von ‚Alphabet‚ weg mit einer drückenden Schwere aus den Boxen schält. Die Beteiligung von DJ und „Anti-Producer“ Andrew Weatherall sowie die Tour mit den Instrumentalelektrikern der Errors haben ihre Spuren hinterlassen, der unbedingte Wille sich nicht zu wiederholen jedoch noch deutlicher.
Bis ‚Sick‚ sucht man Gitarren vergeblich, dort perlen sie über einen hecktischen Drumcomputerbeat und lassen am ehesten die musikalischen Verbindung zu bisherigen Veröffentlichungen der Band zu. Kurz weicht die stätige Niedergeschlagenheit der Platte wieder der bittersüßen Melancholie, die noch bis hin zu ‚The Wrong Car‘ zu finden war. Weil sich langsam die flächigen, unvermeidbaren Synthesizer in den Hintergrund mischen und die Gitarre aus dem Bild drängen, passt sich das auch wunderbar dem Gesamtbild an. Überhaupt: ist der Schock ob der erklatanten Veränderung in Auftreten erst einmal verdaut, ist Platz für die Erkenntnis, dass sich da abseits des Sounds gar nicht derart viel verändert hat – gut, James Grahams so markant schottischer Akzent scheint tatsächlich noch ausgeprägter geworden zu sein. Hätte man auch nicht für möglich gehalten.
‚No One Can Ever Know‘ bestätigt The Twilight Sad, die brauchen keine riesigen Gitarrenwände, um erstklassiges Songwriting zu praktizieren. Ohrwürmer und Beinahe-Hits schälen sich zaghaft aus der Soundlanschaft. Das verhätnismäßig flotte ‚Don´t Move‚ gäbe etwa eine logischere Single als das in seiner Offenheit aus dem Rahmen fallende ‚Another Bed‚ ab, auch wenn beiden Songs diese ausladend theatralische Melodieführung der Band zu Eigen ist. ‚Nil‚ ist der vielleicht beste Post-Punk Song der letzten Jahre, wie er sich aus seiner Tristesse langsam heraus quält und stetig an Fahrt aufnimmt. Neben ‚Sick‚ die herausragende Großtat der Platte, in der The Twilight Sad als Breitwandversion von Joy Division eine exzellente Figur machen und im abschließenden, Depeche Mode Tribut zollenden ‚Kill it in the Morning‚ gar so etwas wie eine bedrohliche, aggresive Version von Discomusik erschaffen. Dass die als Bonus Track verbratene Piano-Elegie ‚A Million Ignorants‚ der schönere Schlußpunkt gewesen wäre, ist da nebensächlich.
‚No One Can Ever Know‚ ist für The Twilight Sad, was ‚In This Light and On This Evening‚ für die Editors war. Kein Neubeginn, aber eine Standortbestimmung, um sich selbst als Künstler zu beweisen. In seiner Konsequenz ebenso mutig, wie in der Ausführung überzeugend. Ein deppressiv zugängliches Ausatmen der drei Schotten.
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