The Ting Tings – Sounds From Nowheresville
Vier Jahre nach ‚We started Nothing‚ hat The Ting Tings kaum mehr jemand auf der Rechnung. Trotzdem – oder gerade deswegen? – versucht das gemischtgeschlechtliche Duo nunes jedem Recht zu machen. ‚Sounds From Nowheresville‚ setzt sich zwischen die Stühle und mitten in die Nesseln.
Dass vor allem ‚That’s Not My Name‚ sich seit 2008 dank penetrantem Airplay einen Platz in den der ewigen Liste der nervigsten Songs aller Zeiten gesichert hat, kann man den Ting Tings nur zum Teil vorwerfen. Weil die zwar wussten, was sie da für eine klebrige Popnummer ankarrten – aber dass ‚That’s Not My Name‚ und die restlichen Singles derart durch die Decke gehen würden und man das dazugehörige Album nicht als die uninteressante Fadesse erkannte, die es war, ist doch dem Feuilleton zuzuschreiben, dem das hippe Gespann nur zu gut vor die Linse passte. Vier Jahre und eine mediokre Interimssingle später sieht die Sachlage schon anders aus – da kräht kaum ein Hahn mehr nach dem Duo. The Ting Tings suchen die Aufmerksamkeit deswegen mit dem stilistischen Rundumschlag, einem als Sampler verkleideten Album – und bringen eine zu Tode kalkulierte Momentaufnahme des Sittenverfalls im Indierock auf Band.
Der Beginn ist – im Kontext gesehen zumindest – vielversprechend: Katie White und Jules de Martino schrauben Synthiefelder in flächige Gitarrenmusik und basteln aus ‚Silence‚ einen nahezu spannungsgeladen dahindümpelnden Song, der das potentiell vorhandene Melodieverständnis der Band unterstreicht, das Händchen für nette Singalongs hervorkehrt. Dass der Song praktisch keinerlei Entwicklung vollzieht, sei verziehen – man kann ja nicht ahnen, dass der nachfolgende Rest sich als ebenso entwicklungsgehemmte Schmalspurganoven entpuppen werden; als Rohrkrepierer, die sich als halbgare Versuche inspirierter Songs in zahlreichen Genres ermüdend zur Schau stellen. Da mag ‚Hit Me Down Sonny‚ mit frechen Electrobeats als Clubmusik aufzuzeigen versuchen, kann aber nur den dösenden Teppichvorleger geben. Das nachgetretene Duo ‚Hang it Up‘ und ‚Give it Back‚ bearbeitet die Schnittstelle von schnuckeligem Pop und verschwitzem Bluesrock und verreckt unter den unerreichten Vorbildern der The Kills bedeutungslos. Dass das mittlerweile auch Cults weitaus besser machen, hat sich offenbar noch nicht bis nach England durchgesprochen.
Die Tour de Force findet ihren Fortgang über soulige Rhythmusskellte (‚Guggenheim‚), debil grinsenden Partyraggae mit quietschender Bettfeder (‚Soul Killing‚), pluckernden Dancerock bis hin zur Reduktion auf Gitarre und wohl wehmütig gemeinter Breitwandvioline (‚In Your Life‚) – und ist bezeichnenderweise ausgerechnet im handzahmen 0815-Pop (‚Day to Day‚) am Besten – weil hier gar nicht erst kaschiert wird, wie substanzlos das zweite The Ting Tings Album tatsächlich geraten ist. Am Reißbrett mag ‚Sounds from Nowheresville‚ durchaus aus zehn astreinen Hits bestanden haben, die in ihrer Ausführung jedoch trotz der gefälligen Melodievielfalt derart ermüdend um die Ecke biegen, dass aus drei Minuten gerne gefühlte fünfzehn werden. Weil das Album auch ein geschickter Blender ist: Die maximal ersten sechzig Sekunden eines jeden Songs begeistern meist durch jeweils klasse Hooks mit Ohrwurmpotential – nur kommt danach nichts nach, die Songs dümpeln ohne Ziel oder Entwicklung nur drauf los, schnurstracks in die Ödnis der Musikindustrie. Leidenschaft? Fehlanzeige! Dafür leuchten fette Dollarscheine in den Augen. Die Ting Tings pumpen so kleine Ideen zu kalkulierten Seifenblasen auf, versuchen den Zeitgeist zu spiegeln und liefern doch nur ein blutleeres Armutszeugnis ihrer eigenen schwindenden Kreativität, ein plumpes Stückwerk für die Charts. Das einzig Gute an ‚Sounds from Nowheresville‚ : In seiner Egalität kann die Platte nicht mit einem neuen ‚That’s Not My Name‚ drangsalieren.
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