The Sword – High Country

von am 10. September 2015 in Album

The Sword – High Country

Es besteht die gar nicht so geringe Chance, dass sich langjährige Fans über die eklatanten Veränderungen im Sound von The Sword entrüsten werden – dabei hat das fünfte Studioalbum der Amerikaner eigentlich ganz andere Probleme mit seiner mutigen, polarisierenden Ausrichtung. So oder so: ‚High Garden‚ ist wohl ein definitiver Jumping the Shark-Moment geworden.

Dass sich J.D. Cronise und seine Jungs an dem furiosen Gemisch aus Stoner, Doom und Heavy Metal, das ihr 2006er Debütalbum ‚Age of Winters‚ immer noch als klare Sternstunde ihrer Discographie strahlen lässt – und darüber hinaus der jüngeren Genrehistorie an sich! –  alsbald zu langweilen beginnen würden, ließ sich allerspätestens vier Jahre danach bei ‚Warp Riders‚ ablesen. Die Hinwendung zu Classic Rock-Versatzstücken, sie findet nun aber erst auf dem Nachfolger des auf Ursprungs-Komfort bedachten ‚Apocryphon‚ ihren Höhepunkt: The Sword huldigen 2015 hemmungslos dem Vermächtnis von Thin Lizzy, ZZ Top und Led Zeppelin.
Allerdings ist es gar nicht diese Umwandlung zu einer 70s verliebten Retro-Hardrockband, die auf die ersten Durchgänge den markantesten Eindruck hinterlässt – und das, obwohl sie ‚High Country‚ einerseits so klar definiert. Es sind viel eher all die Momente, die sich die Texaner auch damit nicht zufriedengeben wollen. Die Phasen, in denen The Sword mit tatkräftiger Unterstützung von Produzent Adrian Quesada ihren Sound endgültig über die polarisierende Klippe schicken und damit nicht zuletzt ihre angestammte Fanbase vor Akzeptanzherausforderungen stellen werden: Auf ‚High Country‚ ist tatsächlich nahezu alles möglich!

Gleich ‚Unicorn Farm‚ ist ein unwahrscheinlich funky daherkommendes Konstrukt aus Hip Hop-Beat, quietschendem Synthies und motivierten Handclaps, das eher an Muse als an Black Sabbath denken lässt, ‚Agartha‚ gibt in ähnlicher Ausrichtung als retrofuturistische Interlude die Captain Future-Sequenz mit Dopesmoker-Vibe. Durch ‚Early Snow‚ fliegen dann ernsthaft bedenkenlos aufgedrehte Mariachi-Casinobläser, ‚Seriously Mysterious‚ wirkt als Quasi-Popsong der Band, als wäre er alleine auf einem billigen Keyboard eingespielt worden: die Drums klingen wie aus der Elektro-Maschine, die eingestreuten Gitarrensoli so kaputt neben der Spur wie die letzten Queens of the Stone Age-Platten – die Melodie zündet aber unmittelbar und paradoxerweise zeigt sich gerade anhand dieser, dass The Sword sich unter der kulturschockenden Schale gar nicht so sehr verändert haben.
Im Grunde stehen all diese überraschenden Exkursionen der Band  nicht nur durchaus, es ist mehr noch auch ein reines Vergnügen mitanzuhören, wie wenig The Sword auf Erwartungshaltungen geben und wie genüsslich sie ihren Sound dem Stillstand entgegenwirkend weiterzuentwickeln versuchen. Dennoch kaschieren diese waghalsigen Expansionen oftmals auch nur zu effekthaschend, dass ‚High Country‚ aus der Gesamtperspektive betrachtet ein enorm zerfahrenes, von der Anzahl der Songs viel zu ausführlich ausgefallenes und letztendlich wild zusammengewürfeltes Sammelsurium mit vielen tollen Momenten, aber eben auch einigen Leerlaufpassagen geworden ist.

The Sword fühlen sich im vor allem in der ersten Plattenhälfte forcierten Vintage-Highway-Rock mit seinem Mehr an Zurückgelehntheit und Groove, dem gleichzeitigen weniger an Härte und Heavyness hörbar wohl. Mehr noch, sie stellen sich aus dem Stand heraus sogar immer wieder auf Augenhöhe mit ähnlich agierende Kollegen: Cronise baut seine Kompositionen ohne die hier erstmal gänzlich fehlende epische Ader auf eine rundum souverän agierende Songwriting-Basis, schüttelt solide  Riffs derart entspannt aus dem Ärmel, dass hittaugliche Ohrwürmer wie ‚Tears Like Diamonds‚ es sich sogar durchaus leisten können niemals wirklich zum Punkt zu kommen. ‚High Country‚ ist so selbst in seiner schlüssigeren ersten Hälfte zwar durchaus eine Hit-or-Miss-Geschiche, die in der Eingewöhnungs- und Kennenlernphase die Füße einschlafen lassen kann, nur um das routinierte, unspektakuläre Können dann aber eben doch irgendwann doch schätzen zu lernen.

Nicht erst ab dem Halbzeitstand der Trackliste mutiert der Albumfluss allerdings zu einem wahrhaftigen Minenfeld der Unfokussiertheit: auf den erwähnten Drahtseilakt ‚Seriously Mysterious‚ knallen The Sword mit ‚Suffer No Fools‘ wie zum Hohn eine breitbeinig die Matte schüttelnde Nummer, die so auch auf den bisherigen Alben der Band bratzen hätte können, auch, wenn das Instrumental etwas unfertig hinter seinen Möglichkeiten bleibt – ‚Buzzards‚ macht seine Sache als klassischer Signature-Track insofern deutlich besser. Noch stärker ist der über das psychedelische Lagerfeuerintermezzo ‚Silver Petals‚ führende Weg hin in die Gefilde von Graveyard und den alten Splitkumpels Witchcraft, die ‚Ghost Eye‚ und vor allem das grandios mit gefühlvollem Blues vollgepumpte ‚The Bees of Spring‚ zelebrieren (dabei war man in dieser Richtung eingangs noch mit dem lahmen ‚Mist & Shadow‚ gescheitert). ‚Turned To Dust‚ bremst den Flow dazwischen zwar aus, ist ansonsten aber eine Lehrstunde in Sachen abrupt beendeter Western-Coolness.

Dass die Soulbackingchöre von ‚The Dreamthieves‚ davor beinahe kaschieren können, dass The Sword mitunter sehr wohl wie eine lahme, eindimensionale Alternative zu Black Mountain daherkommen können, führt dann allerdings auch vor, dass es nicht die überschäumende Ambition ‚High Country‚ ein wenig das Genick bricht, sondern die mangelnde Selektion und die unentschlossen wirkende Reihung: das fünfte Studiowerk der Band aus Austin funktioniert kaum als homogenes, stringent hochklassiges Album, hätte seine zahlreichen Vorzüge allerdings auf knackige EPs aufgeteilt bisweilen imposant und vor allem kohärenter ausspielen können.
Während Elder mit ‚Lore‚ 2015 das wohl ideale Album für all jene aufgenommen haben, die sich nach der furiosen Heavyness von ‚Age of Winters‚ (und mehr) zurücksehnen, ist die Ausgangslage für den Nachfolger des unausgegorenen Teiltriumphes ‚High Country‚ durchaus spannend – stehen die Chancen doch 50:50, ob der langjährige Fan hiernach als Katastrophentourist an The Sword dranbleibt, oder ob man tatsächlich Zeuge wurde, wie eine Band mutig und rücksichtslos über sich selbst hinauszuwachsen begonnen hat. Es wird wohl darauf ankommen, ob Cronise und Co. eher aus den Fehlern von ‚High Country‚ lernen, oder aus den vielen perspektivenerweiternden Vorzügen der Platte.

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