The Smile – Wall of Eyes
Wall of Eyes mag seinen Titel aus alten Radiohead-Tagen entlehnen, lässt The Smile aber endgültig über der Resteverwertung von angestauten Mutterschiff-Material zu einer runden Einheit für die Zukunft zusammenwachsen.
Dass Nigel Godrich mit der kommenden Idles-Platte beschäftigt war, The Smile aber für ihr Zweitwerk nicht auf ihren Produzenten warten, sondern den Schwung ihrer ersten Tour sowie der dabei geschriebenen Songs mitnehmen wollten, und deswegen Suspiria-Bekanntschaft Sam Petts-Davies für die Aufnahmen von Wall of Eyes engagierten, erweist sich nicht nur der Abnabelung vom Mutterschiff Radiohead als zuträglich, sondern auch, um den Charakter von The Smile aufblühen zu lassen: Der Sound des A Light for Attracting Attention-Nachfolgers ist im direkten Vergleich zum 2022er-Debüt natürlicher, weicher und organischer, legt mehr Wert auf Atmosphäre, wo auch das Songwriting unaufgeregter, ruhiger und subversiver ausgefallen ist.
Am idealsten für den direkten Vergleich bietet sich diesbezüglich wohl dasplingende, pointiliert getappte Under Our Pillows an, das sich im Windschatten von Thin Thing zu einem somnambulen Anlauf in Space-Umlaufbahnen entwickelt, und mit grummelnd in die Auslage gestelltem Bass bis in den Stillstand eines sphärischen Klangkosmos am Rande der Kakophonie im Orchestgraben abklingt. Auch wie I Quiet später kontemplativ über die Tastatur der Melancholie fließend so neugierig wie vorsichtig durch ätherische Klangwelten wandert, wäre mit Godrich in diesem farbenfrohen Volumen eventuell nicht möglich gewesen.
Tatsächlich setzt Wall of Eyes in einem weitaus stimmigeren Sequencing sogar regelrecht auf die stimmungsvolle Tiefe des Understatements, lenkt die Dynamik auf eine homogenere Schiene. Wo The Smile mit dem Sammelsurium A Light for Attracting Attention Aufmerksamkeit an vielen Fronten generiert haben, verzichtet das Zweitwerk als schlüssiges Album-Album geradezu demonstrativ auf betont griffige Songs oder Hits, geschweige denn knackige Rocker wie You Will Never Work in Television Again. Alles wirkt nun entspannter, die Kompositionen strecken sich spielzeittechnisch ergiebig aus, selbst das virtuose Schlagzeugspiel von Tom Skinner tritt unauffälliger einen Schritt zurück, während Greenwood seine Fertigkeiten als Soundtrack-Komponist stärker in die nautischen, andersweltartigen Arrangements einwebt und die Highlights weniger drastisch aus dem ausgeglichen balancierten Gefüge ragen.
Der finale Ausbruch im erlösenden Klimax der ersten Single Bending Hectic (die erst ein bisschen atonal gegen den verstimmten Strich perlt, sich mit unterschwellig jazziger Spannung treiben lässt, lauert, sich jedoch immer verträumter lockert, bis sich die cinematographische Farbe von der Wand löst und das Crescendo eine bratende Riff-Sound-Welle mit fast doomigen Drama über den Kamm bricht) ist diesbezüglich das exzessivste und zügellost nach außen gehende Momentum einer ansonsten sehr intimen und gefühlvoll introvertierten Platte.
Exemplarischer für das Ganze ist deswegen schon der auf den ersten Blick geradezu unscheinbare zweite Vorbote in Form des Titelstücks, der als Opener mit entspanntem Acoustic-Geklampfe, relaxter Samba-Rhythmus-Percussion, launigen Streichern und atmosphärischer Weite eine Art zrückhaltenden Eskapismus erzeugt, ein paar elektronische Geräusche, Gelächter, Hall und viel Raum ein bisschen disharmonisch unweit einer potentiellen Yorke-Solo-Reise auf elegische Wege führt, die am anderen Ende vom Abspann und Epilog You Know Me! den Kreis wie ein ambienter Nachhall zu 4 Minute Warning aus Elbow-Sicht schimmernd schließt.
Dazwischen fächert das Spektrum seine Amplituden im Schönklang auf. Das bezaubernde Teleharmonic entwickelt sich nach Peaky Blinders in der Einfühlsamkeit einen sanften Groove und Read the Room stackst mit verquer oszillierenden Gitarren atonal wogend, um sich in einen krautig wattierten Jam zu verwandeln und das schüchterne, mehrere Inkarnationen und Titeländerungen durchlaufen habende Friend of a Friend hat sich als Instant-Liebling entlang seiner Klavierlinie stolpernd seit der ersten Tour zu einer charmanten Schönheit entwickelt, deren Inszenierung eine nostalgische Romantik in der Veruntreuung findet und den Pop-Faktor der Band auf anachronistische Weise unterstreicht.
Die Evolution von The Smile schreitet dabei stets auf vertraute, flächendeckend auf konstant hohem Niveau flanierende Weise fort, wenngleich diesmal kaum auf einzelne neuralgische Gänsehaut-Punkte destilliert oder generell überwältigende Weise ausgelegt, findet mit dem Blick nach Innen gehend aber den Horizont, um über die mit A Light for Attracting Attention im Radiohead-Rahmen gesetzten Perspektiven zu wachsen: „Don’t think you know me/ Don’t think that I am everything you say…“.
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