The Smile, Robert Stillman [17.05.2022: Gasometer, Wien]
Ohne die Qualitäten von A Light for Attracting Attention unter Wert verkaufen zu wollen, aber: The Smile machen live (selbst im Gasometer) wirklich weitaus her (und Sinn… und Druck und Spaß), als auf ihrem tollen ersten Studiodebüt.
Auf der Bühne – also die Trio-Besetzung bestehend aus Thom Yorke, Jonny Greenwood sowie Tom Skinner reduziert, und damit sowohl auf die orchestralen Arrangements wie auch die klangtechnische Handschrift von Nigel Godrich verzichtend – erzeugen The Smile schließlich ein weitaus instinktiveres Momentum als auf A Light for Attracting Attention, verstärken die eigenen Charakterzüge ebenso wie die packende Kurzweiligkeit – aber auch den unterschiedlichen Spielraum im direkten (und natürlich unvermeidlichen) Radiohead-Vergleich.
Alleine die rockigen Songs von The Smile fetzen in dieser Form nun tatsächlich wild – gerade das schmissige You Will Never Work in Television Again oder ein exzessives We Don’t Know What Tomorrow Brings gehen regelrecht punkig in die Beine – während das mit stoisch schraffierten Kanten versehene The Same einen imposant stampfenden UK-Beat im sedativen Club-Modus zum mitklatschen und pulsieren bekommt, Waving a White Flag die fehlenden ausschmückenden Akzente durch eine anachronistische Wucht mehr als aufwiegt, oder Skrting on the Surface im Umkehrschluss mehr Raum einnimmt, um hinten raus ausführlich zu träumen.
Obwohl die Band das etwas unausgegorene Sequencing von A Light for Attracting Attention für ihre erste Tour beinahe behält (nur die ersten drei Songs der Platte rücken geschlossen an das Ende der ansonsten chronologisch und zur Gänze dem Albumverlauf folgenden Setliste) ist die Gesamtdynamik des Material live zwingender, unmittelbarer – als instinktiver Rundumschlag irgendwo schlüssiger.
Das liegt einerseits zwar auch daran, dass mancherorts Nahtstellen zur Sogwirkung umgebaut werden (Free in the Knowledge bekommt etwa gleich eingangs einen dezente Drone-Teppich als Unterlage für die Akustikgitarre ausgelegt und darf letztendlich mit der Kakophonie flirten, was die eindringliche Mutation zu A Hairdryer verstärkt, wo durch das Mehr an Lautstärke und Physis den Spannungsbogen intensiver vorbereitet wird, bevor der Klimax regelrecht erlösend auf der Abfahrt beschleunigt). Andererseits ist da aber mehr noch die so immens spürbare Spielfreude der Band als Katalysator, die vor allem Charismatiker Yorke merklich Bock zeigen lässt, und auch das Klischee des Trauerkloß erfolgreich abhängt: das verschmitzte Grinsen zum verführerischen Hüftschwung des 53 jährigen im wirklich umwerfend groovenden The Opposite – eigentlich unbezahlbar; seine Tanzmoves zu Feeling Pulled Apart by Horses – hemmungslos ansteckend. (In dieser Gesellschaft wirken der introvertierte Greenwood und auch der oft vom Schlagzeug abweichende Skinner noch dazu gleich umso sachlicher beim Dienst an den Songs).
Womit wir an einem nicht makellosen Abend (dafür ist der Sound im Gasometer einfach zu schwach, weil immer mindestens ein Element im Mix mit Zuviel Lautheit die Balance stört; die erstaunlich lange nicht ausverkaufte, dann aber rappelvolle Show leidet auch unter der stickigen Luft und Hitze in der Halle; der stark nach hinten verlegte Timetable ist zudem ärgerlich; und Robert Stillman als Support Act-Wahl ist höchstens theoretisch geglückt: der erst minimalistisch mit Saxofon daherkommende Synth-Ambient will leider an sich durchaus stimmungsvoll absolut nicht in den Rahmen der atmosphärefreien Location passen, verliert sich im Loop-Schichten außerdem ohnedies bald in der überladenen Prätentiösität der artsy Willkür – und dabei auch das ohnedies überschaubare Interesse des munter quatschenden Publikums) bei der wirklich rundum perfekten Zugabe angekommen, die die (wieder von Cillian Murphy herbeirezitierten) 60 Minuten des Hauptsets beinahe in den Schatten stellt.
Das neue, am Vortag in Zagreb seine Premiere gefeiert habende Friend of a Friend stolpert dort jazzig-präzise mit grandioser Melodie, bremst sich immer wieder für eine nostalgisch-melancholische Revue aus, wo das tanzbare Just Eyes and Mouth als insgeheim vielleicht sogar bester Song der Band bisher in latenter 80er-Sehnsucht funkelt. Was das Trio The Smile danach mittlerweile vor der grundlegend tollen Lichtshow aus dem Yorke-Solosong (respektive dem Überbleibsel der Coda Reckoner) Feeling Pulled Apart by Horses gemacht hat, ist dann als hypnotischer Rhythmus-Rausch mit einem endlich verdient auf das Podest gehobenen, genialen Bass-Motiv kaum weniger fabelhaft. Freilich könnte man angesichts diese dreier furioser Non-Album-Songs auch darüber brüten, wieviel besser A Light for Attracting Attention mit einer längeren Inkubationszeit ausgebrütet hätte werden können – man kann aber auch ein bisschen in Euphorie geraten, weil die Zukunft von The Smile verdammt mit diesen Shows vielversprechend gesichert sein dürfte.
Setlist:
Pana-vision
The Smoke
Speech Bubbles
Thin Thing
Open the Floodgates
Free in the Knowledge
A Hairdryer
Waving a White Flag
We Don’t Know What Tomorrow Brings
Skrting on the Surface
The Same
The Opposite
You Will Never Work in Television AgainEncore:
Friend of a Friend
Just Eyes and Mouth
Feeling Pulled Apart by Horses
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