The Smashing Pumpkins – Oceania

von am 18. Juni 2012 in Album

The Smashing Pumpkins – Oceania

Da hilft auch kein zelebrierter steinerner Wille – nicht einmal Billy Corgan kann die überlebensgroßen, unsterblichen Momente der „alten Pumpkins“ für die revitalisierte Inkarnation seiner Ich-AG erzwingen. Grundsolide Rocksongs und seichte Popausflüge sind bei all der Schwerstarbeit auf dem „Album im Album“ jedoch spielend drinnen.

Oceania‚ ist letztendlich wieder ein Paradebeispiel dafür, dass die Person Billy Corgan nur ratlos zurücklassen kann. Da wettert der Kauz rechtzeitig zur Veröffentlichung seines (und nichts anderes ist ‚Oceania‚ trotz jeden Cents für das „Jeder hat seinen Input gebracht“ – Phrasenschwein) neunten Albums unter dem Smashing Pumpkins Banner selbst im Kontext belassen ungemäß  gegen Musikerkollegen und rudert mit ‚Oceania‚ als „Album im Album“ in Taten doch wieder kleinlaut von der Behauptung zurück, dass das Format Album tot sei: Paralell zum seit 2009 stetig wachsenden, offiziell als achtes Studioalbum geltenden 44 Song-Zyklus ‚Teargarden by Kaleidyscope‚ sollen es nun also dreizehn zusammenhängende Stücke sein, die man nicht gratis laden, sondern sofort physisch aus dem Laden mitnehmen kann. Ungeachtet dieses halbherzig relativierten Widerspruchs in der Konsequenz Corgans ist der Einfluss des Experiments ‚Teargarden by Kaleidyscope‚ aber auch gleichermaßen Fluch wie Segen für ‚Oceania‚: Corgan konnte sich seit dem unter der Bürde ein Pumpkins Album zu sein zwangsläufig enttäuschen müssenden ‚Zeitgeist‚ von 2007 ohne Druck freischwimmen – die Erwartungshaltungen angesichts formidabler Songs wie ‚A Song for a Son‚, ‚Tom Tom‚ oder ‚Freak‚ war jedoch offenbar pünktlich für ‚Oceania‚ wieder da – und können abermals nicht vollends gestemmt werden.

Die leidige Diskussion, ob Corgan der von Fans insgeheim immer noch gehegten Erwartungshaltung hinsichtlich eines neuen Meisterwerks alter Machart nicht ohnedies ansatzweise entweichen könnte, wenn er nicht seine ursprüngliche Band mit optisch nicht uneentsprechenden jüngeren Varianten ihrer Vorgänger nachbesetzen würde und das unter einem anderen Bandnamen laufen lassen würde, lässt auch ‚Oceania‚ nicht aufkommen: Weil The Smashing Pumpkins immer so sehr nach Billy Corgan klingen werden, wie Corgan mit Rockband auch immer nach den Pumpkins klingen würde.
Viel eher muss sich ‚Oceania‚ jedoch die Frage gefallen lassen, warum es die Leichtigkeit von ‚Teargarden by Kaleidyscope‚ nicht mitnehmen konnte, und in seinem unbedingten Bestreben das beste Album der Band seit der „Reunion“ – und dabei noch Neuland sichten – zu wollen,  schlichtweg verkrampft und die vorhandene Experimentirwut zudem in fragwürdigen Bahnen kanalisiert. Die psychedelisch schimmernde Schlagseite im Zwan-Licht, die bleibt mit Produzent Bjorn Thorsrud zumindest stellenweise erhalten, fällt zu Beginn jedoch in einen wunderbar dichten Rocksound über, was im späteren Verlauf von luftigen Flirtversuchen mit seichten Popergüssen kontrastiert und weitestgehend sogar korrigiert wird: Die Gitarren braten bei Bedarf von der ersten Gitarre an, Corgans Stimme muss dabei aber nicht so penetrant wie auf ‚Zeitgeist‚ im Vordergrund nölen und der junge Wunderwuzzi Mike Byrne am Schlagzeug gibt die am neumodischen Metal geschulte Kracke, ist aber eben kein Chamberlain: ‚Oceania‚ beginnt seine Reise deutlich näher am Metal als alle sonstigen jüngeren Pumpkins Veröffentlichungen ein, spielt danach aber mit zu wenig nachdrücklichen Akustikgitarren, überdrüssig vielen Keyboardeffekten im Popoutfit und irritiert mit Belanglosigkeiten wie dem dahinplätschernden ‚Pinwheels‚.

Ebenso mit halbherzige Pseudo-Elektronikexperimente wie im Beginn von ‚Violet Rays‚, den breiten Synthieflächen hinter dem balladesken Standardrocker ‚The Celestials‚ oder dem Elekropopeinschlag des beängstigend fehlerfrei von Coldplay abschauenden ‚One Diamond, One Heart‚. Wenn aber etwa das grandiose ‚Panopticon‚ hinten raus mit breitbeinigem Gekniddel liebäugelt, ist das natürlich käsig, allerdings auch ein gelungener Ausleger des neujustierten Gitarrenspiel in Corgans Repertoire, während rund herum mit aller Kraft daran geschuftet wird, an alte Glanztaten anknüpfen zu können. Der Opener ‚Quasar‚ wütet nach kurzem „Red Hot Chili Peppers vs. Incubus„-Intro im Fahrwasser von ‚Silverfuck‚, kniet sich mit aller Macht in sein Riff, bis auch ‚Whole Lotta Love‚ Tantiemen verlangen könnte und macht gleichermaßen Lust auf mehr, wie es auch einen markanten Schönheitsfehler am ansonsten erfreulichen Beginn von ‚Oceania‚ aufzeigt: Am besten ist Corgan, wenn er rockt, nur lässt er zu oft lieber Synthieknöpfe drücken, zu viele Songs verlassen sich hier zudem nur auf die eine gute Idee und siechen unter ihren Möglichkeiten dahin. Ein ‚Love is Winter‚ atmet frei durch und ist ebenso ein durch und durch gelungener Rocksong wie es die ‚Mary Star of the Sea‚- Erinnerung ‚The Chimera‚ einer ist – nur das letzte Quäntchen um auch mehr als das zu sein, das fehlt dann doch markant.

Der Titelsong hingegen sucht die Epik in zahlreichen Ansätzen und einer – ja, immer wieder kommen die Briten einem in den Sinn – Coldplay-Leadgitarre, ohne schlußendlich fündig zu werden: das mäandert über mehrere Eckpunkte und verdünnisiert sich ohne nachhaltige Duftmarken setzen zu könne. Ein ‚Pale Horse‚ geht so ungeniert wie konsequent bei den Radiostadionen hausieren , dass es beinahe weh tut, wohingegen ‚Inkless‚ wieder mit so viel Spaß den Heavy Metal rockt, dass es eine Freude ist bevor ‚Wildflower‚ den Himmel mit Streicher verhängt, am anderen Ende den dankbaren Kontrastpunkt zu ‚Quasar‚ bildet – und wieder einer der unzufrieden stellenden Songs ist, die einfach unvermittelt ausfaden.
Ebenso wie Corgan rund um ‚Oceania‚ ratlos hinterlässt, tut dies seine Platte damit nach zu langen, ihre Highlights schnell ausspielenden 60 Minuten ebenso. Die zu Beginn aufgebaute Spannung verpufft zwischen souveränen Übungen und inspirierten Blindgängern, zwischen dümpelnden Nettigkeiten ohne den benötigten Killerinstinkt – wer zudem nach markerschütternden Singles sucht, darf außerdem unbefriedigt weitergehen. Wohin die Reise mit dem eigentlich auch schon dritten Line-Up gehen soll, darüber scheinen sich die Beteiligten nicht restlos im Klaren zu sein, ebensowenig, ob man dafür nun den Produzenten, den mutmaßlich handzahm gehaltenen Mitmusikern oder schlicht Corgan allein den schwarzen Peter zuschieben soll: einem, dem der grandiose Chamberlain durch die Lappen gegangen ist, und der das Talent, mit grandiosen Versionen abseits seiner Studioalben den Mund wässrig zu machen, um dann auf dem Endprodukt zu enttäuschen oder vielversprechende Appetithappen gleich ganz auszusparen, weiterhin unnötig kultiviert. Letztendlich ist das aber egal, und auch nur deswegen wirklich ärgerlich, weil Corgan und seine Pumpkins im Ansatz immer noch durchschimmern lassen, dass sie sich irgendwann doch noch zu alter Größe aufbäumen könnten. Dann lieber auf neue ‚Teargarden by Kaleidyscope‚-Songs warten.

 

Print article

1 Trackback

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen