The Slow Show – White Water
Wer seine Band nach einem der stärksten The National-Songs benennt und dann auch stilistisch keinerlei Bedenken hat sich in das Fahrwasser der Indielieblinge zu begeben, der lädt sich natürlich per se eine schwerwiegende Hypothek aufs Haus. The Slow Show überzeugen mit ihrem lange hinausgezögerten Debüt aus dieser schwierigen Ausgangslage heraus dennoch.
Mit ihren musikalischen Vorbildern hält die Band aus Manchester dem Bandnamen folgend also keineswegs lange hinter dem Berg, nicht instrumental und ebenso wenig stimmlich, bezieht für ihr eklektisches Amalgam aber zahlreiche Referenzquellen mit ein: The Slow Show orchestrieren sich als Bühne für das markerschütternde Bariton-Oragan des erst 22 Jährigen Rob Goodwin, der seine Stimme an den Lektionen des dunklen Sprechgesangs von I Like Trains-Tieftöner David Martin geschult hat, seine schwermütigen Texte und Klos-im-Hals-Geschichten mit beinahe Cohen’schem Stoizismus und sonorer Kurt Wagner’schen Unaufgeregtheit vorträgt, seine Stimme unter der Last der Welt zwischen Selbstmitleid und Standhaftigkeit brechen lässt. „I guess we’re lucky/Yeah, we’re lucky/We’ve got all the time in the world“ verhallen da wie Euphemismen an der Grenze zur Resignation, man meint Goodwin von der Dunkelheit verschlungen zu sehen, bis nicht mehr klar ist ob er lächelt oder Tränen vergießt.
Seine vier Kumpel spielen ihren getragenen Indierock dahinter mit bescheidener Zurückhaltung, beinahe zweckmäßig unaufdringlich, verwaschen aufgebaut und poetisch schöngeistig, rotweinschwer und mitternachtsmelancholisch, nachdenklich, besinnlich und sparsam nuanciert im minimalistisch wirkenden, aber eigentlich reichhaltig ausstaffierten Klangbild. Kontemplativ perlende Gitarrenfiguren und sanft getupfte Pianomotive werden ausgeschmückt durch schwelgende Bläserarrangements, romantisch flackernde Streicher, leise ausgebreitete Spannungsbögen ziehen ihre Kreise.
Akzente setzt die Band in ihren schwelgenden Kompositionen dabei nur sparsam, der sakrale Kirchenchor gleich im eröffnenden ‚Dresden‚ führt in seiner Opulenz diesbezüglich auf eine falsche Fährte: in ‚Testing‚ findet sich ein pulsierende Dichte und warme Orgelklänge, die in Ihrer Monumentalität an das zweite Arcade Fire Album denken lassen, ‚Flowers to Burn‚ gönnt sich ein markanter auftretendes Schlagzeug und postrockig flirrende Gitarren, für ‚Paint You Like a Rose‚ holt sich Goodwin eine weibliche Backgroundstimme. Und wenn er wie in ‚Bloodline‚, dem wahrscheinlich unmittelbarsten Song der Platte, mit schüchterner Akustikgitarre als Teppich tatsächlich singt, oder die Drums im fragil rezitierten ‚Augustine‚ zusätzlichen Drive einimpfen, ja dann stehen The Slow Show fast noch expliziter als ohnedies schon mitten drinnen in Plagiatsvorwürfen.
Ohne sich in übersättigender Konsequenz im allgegenwärtigen Pathos zu suhlen, ist es vor allem die so beschworene hoffnungsschwangere, aber auch bekümmerte Atmosphäre, auf die sich „Manchester’s most un-Manchester like band“ dabei verlassen, mehr als auf wirklich herausragende Melodien oder Hooks. Die Zuversicht, dass der Bariton von Goodwin da als primäres Gravitationsmoment der Platte über die gesamte Spieldauer fesselt und über etwaige Schwächen im unbeweglich bleibenden Songwriting hinwegtröstet, ist dabei zwar nicht gänzlich unbegründet, bringt aber spätestens bei Songs wie dem spannungsbefreitem ‚Lucky You, Lucky Me‚ auch Probleme mit sich: ‚White Water‚ ist unheimlich betörend zu hören, kann in seinen besten Momenten eine unter die Haut gehende, eindringliche Sogwirkung entfalten, vor allem über die gesamte Distanz hinweg aber gleichzeitig auch eine monotone Gleichförmigkeit transportieren, die die erstaunlich gefestigte Zielstrebigkeit des Quintetts oft wie ein limitierendes Korsett erscheinen lässt. Letztendlich gelingt The Slow Show damit dennoch ein Debüt, das sich vor allem anhand herausragender Nummern wie ‚God Only Knows‚ nicht vor seinen Idolen verstecken muss, mehr noch aber ein mutmaßlich saisonal abhängig machendes Stück Stimmungsmusik darstellt: zwischen früher Formvollendung und wärmender Langeweile ist es hier nur ein schmaler Grat.
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