The Raconteurs – Help Us Stranger
Was tun, wenn man nicht erst über seine Soloalben Blunderbuss, Lazaretto und Boarding House Reach eine regelrechte Antipathie gegen Jack White entwickelt hat? Na – sich darüber freuen, dass Brendan Benson und die reaktivierten Raconteurs ihm mit Help Us Stranger seine stärkste Veröffentlichung seit Jahren abgerungen hat.
Das liegt übrigens weniger als den (Hard-, Classic oder Blues-) rockigen Songs, als ab den ruhigen Stücken der Platte. Und das, obwohl das Quartett da wie dort gewissermaßen ausnahmslos innerhalb einer gewissen Komfortzone auf Nummer Sicher geht (und damit die relative Ambition von Consolers of the Lonely nicht anstrebt, wo die konventionelle Hitdichte von Broken Boy Soldiers unerreicht bleibt) und diese vorhersehbar konstruierte, durchaus zuverlässige Routine gerade nach dem absurden Rohrkrepierer-Experiment Boarding House Reach nicht die schlechteste Idee ist.
Wobei sich eben spätestens nach 42 Minuten eben doch zeigt, dass man nicht für Whites federführend-dominierte Songs (gegebenenfalls) elf Jahre auf eine Rückkehr der Raconteurs gewartet hat. Denn diese „seinigen“ Stücke von Help Us Stranger sind eher ohne Biss auskommende Pflichtübungen geworden – souverän und klassisch, aber im Grunde weitestgehend langweilig.
Don’t Bother Me ist ein zum Beispiel typischer White-Rocksong, samt Vorschlaghammer-Hook, wuchtig polternden Drums und wilden Tempiwechsel, der trotzdem vorführt, dass den biestiger gemeinten Stücken auf Sicht die wirklich zwingenden Ideen fehlen, um spannend zu werden, The Raconteurs eher einer effektiven Einfallslosigkeit frönen, anstatt mutig zupacken. Sunday Driver täuscht etwa den Krautrock nur an, fällt dann aber doch eher in ein zutiefst generischen Baukasten Muster, wo What’s Yours Is Mine seinem angedeuteten Bekenntnis zum Glam keinerlei Konsequenz nachsetzt. Live a Lie klingt dann ohnedies wie ein 0815-Überbleibsel aus den frühen 2000ern, mit dem White all die Revivalbands seinerzeit nicht derart mühelos abgehängt hätte.
Und sicher, gerade in dieser Ausrichtung können sich die Herren White, Benson, Jack Lawrence und Patrick Keeler auch auf eine gewisse grundlegende Klasse verlassen, spielen ihre Kernkompetenzen zweckmäßig nach Hause.
Gleich Bored and Razed macht sich langsam warm, kurbelt dann aber schmissig über den Highway, lässt die Gitarren quietschen. Die Produktion setzt das prägende Gitarrenmotiv während der Strophen teilweise nahezu unhörbar leise in den Hintergrund, was die Nummer symptomatisch für Help Us Stranger mit einer gewisse Subtilität ausstattet, auch wenn die Verbindung zwischen Detroit und Kalifornia für einen überschwänglichen Refrain aufgeht und hinten raus noch übermütig quietscht. Man kann im Mix der Platte durchaus einiges entdecken!
Ebenso exemplarisch für das Gesamtwerk aber, dass Hey Gyp (Dig The Slowness) unter gurgelndem Bass, kantigen Soli, Junglejam-Drums des heimlichen Helden Keeler und launigen Stimm-Effekten als stampfendes Donovan-Cover mit rockiger Abfahrt samt Mundharmonika vital anmuten mag, aber doch weniger mitreißenden Spaß macht, als es die Raconteurs gerne möchten.
Am besten funktioniert Help Us Stranger deswegen, wenn Benson dem immer prätentiöser gewordenen Pfau White zum Flirt mit dem Pop überreden konnte, ihn zu einer inneren Ruhe samt sorgsameren Melodien führt, und damit ein lange nicht mehr gehörtes Understatement samt nonchalanter Songdienlichkeit in den Standards forciert – quasi die Songwriter’schen Schwächen des Indie-Liebkindes mit seinen gerne übersehenen Stärken aufwiegt.
Der Quasi-Titelsong Help Me Stranger beginnt so wie ein gut konserviertes Relikt, groovt und klatscht dann aber entwaffnend entspannt um das immer catchy Gespür für Eingängigkeiten, wohingegen Only Child sich als melancholische Lagerfeuernummer im getragenen Tempo gefühlvoll voranwehen lässt, auf sanften Orgeltexturen und warmen, retrofuturistischen Synthies, entspannt und anschmiegsam, auch ein bisschen bittersüß. Shine the Light on Me klimpert dagegen wie eine vergessene Kinks-Perle unaufgeregt nach vorne schunkelnd, auch wenn die repetitive Nummer eher gefällig ist. Somedays (I Don’t Feel Like Trying) agiert wundervoll aus dem Country heraus bratzend mit latentem Simple Man-Vibe und finalem Mitsingpart, bevor Now That You’re Gone erst lauernd poch, dann nostalgischer schunkelnd aufgeht als gedacht, viel Soul und Blues in wenig Entwicklung steckt.
Und das finale Thoughts And Prayers macht als psychedelische Space-Ballade aus dem Led Zeppelin–Folk-Fundus den letztendlich einnehmenden Abspann, der diese kaum mehr für möglich gehaltene Rückkehr vielleicht unter dem Soll, aber doch über den Erwartungen beschließt.
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